Lexikon zu »Joseph und seine Brüder« (1933-43)
Abgeschlossene Einträge: 490 | Letzte Änderung: 21.07.2018
Chabiren Ebräer
Chai olâm Olâm
Chaldäa
Der Name wird meistens als Bezeichnung der Region um die Städte Ur und Uruk im südlichen Babylonien verwendet. Er erscheint im Roman fast immer in der festen Wendung »Ur in Chaldäa« (IV, 102, 116 u.ö.), die den Herkunftsort des mythischen ›Ur-Mannes‹ und ›Mannes aus Ur‹, des Urvaters Abraham und den Ausgangspunkt seiner Wanderung über Charran nach Kanaan bezeichnet.
Dagegen gebraucht der Erzähler den Begriff Chaldäer (auch ›chaldäisch‹), sofern er ihn nicht speziell auf Abraham bezieht, als allgemeine Bezeichnung der Bewohner nicht nur Chaldäas, sondern des gesamten Zweistromlandes.
Vgl. Übersichtskarte. – Hommel (181 f.) versteht unter Chaldäa das »eigentliche Babylonien« (181), nämlich den gesamten südlichen Teil des Zweistromlandes vom Persischen Golf bis etwa Samara nördlich von Bagdad (vgl. Karte des Zweistromlandes bei Hommel, S. 183). – TM folgt eher der Situierung bei Bezold (Karte im Anhang).
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Chaldäer (Kaschdim)
In der Singularform wird der Begriff mit zwei Ausnahmen (IV, 176, 778) stets auf Abraham, den ›Mann aus Ur in Chaldäa‹, bezogen (IV, 51, 125 u.ö.). Die Pluralform ist im Roman zusammenfassende Bezeichnung der Bewohner nicht nur Chaldäas, sondern des Zweistromlandes allgemein (IV, 10, 26, 33 f.). Die Chaldäer werden auch (und häufiger) die ›Leute von Sinear‹ genannt.
Die hebräische Bezeichnung »Kaschdim« (Kasdim) wird nur einmal verwandt: »Joseph für sein Teil erblickte in einer südbabylonischen Stadt namens Uru, die er in seiner Mundart ›Ur Kaschdim‹, ›Ur der Chaldäer‹ zu nennen pflegte, den Anfang aller, das heißt: seiner persönlichen Dinge« (IV, 11).
Das herausragende Merkmal der Chaldäer ist die »Sachlichkeit ihrer Bemessung« (IV, 16) und Berechnung, von der insbesondere ihre Kunst der Himmelsbeobachtung und Sterndeutung zeugt (IV, 26; vgl. auch Sinear).
Ob Labans, »des Chaldäers« (IV, 176) und Pfennigfuchsers berechnendes Wesen als Verfallsform chaldäischer Rechenkunst betrachtet werden kann, sei dahingestellt. Der Erzähler nennt ihn u.a. auch einen »chaldäischen Geschäfts- und Vertragsmenschen« (IV, 367).
Dass der »Sonnen-Tempelturm von Babel«, Esagila, auch »Turm der Chaldäer« genannt (IV, 34), der ›große Turm‹ selber, der Ur-Turm ist, steht für die Chaldäer außer Frage: »allen Chaldäern bedeutete der uralte [...] Terrassenturm Esagila's [...] das Anschaulichwerden und gegenwärtige Erlebnis eines urweither übermachten Inbegriffs: des Turmes, des bis an den Himmel ragenden Bauwerks von Menschenhand« (IV, 33). Der Erzähler ist anderer Meinung (vgl. IV, 34).
Als ›chaldäisch‹ wird auch das Gefolge von Sklaven und Mägden bezeichnet, das Jaakob bei seiner Rückkehr aus Charran nach Kanaan mit sich führt (IV, 388).
In Theben nächtigen die Midianiter mit Joseph in einer von einem Chaldäer betriebenen Herberge namens »Sipparer Hof«. Am Morgen, bevor sie vor Potiphars Haus ziehen, um Joseph zu verkaufen, essen sie »chaldäisch Morgenmus, der hier gereicht wurde, einen Mehlbrei, mit Sesam bereitet, genannt ›Pappasu‹« (IV, 778). Denselben Brei hatte auch Jaakob am Abend seiner Ankunft bei Laban vorgesetzt bekommen (IV, 238 f.).
Band IV: 10, 16, 26, 31, 33 f., 51, 125, 128, 129, 131, 163, 176, 199, 367, 388, 399, 411, 420, 425, 436, 492, 605, 778.
Band V: 1262. – (Die Nachweise erfassen auch das Adjektiv ›chaldäisch‹).
Die Chaldäer (hebr. Kasdim), eine Gruppe aramäischer Stämme, sind nach heutigem Kenntnisstand erst seit dem 9. Jahrhundert in Babylonien bezeugt. Jeremias I (S. 162) datiert die Einwanderung chaldäischer Stämme nach Südbabylonien auf das 11. Jahrhundert. – In der griechischen Literatur wurden die Babylonier allgemein Chaldäer genannt.
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Cham (Ham)
Cham ist einer der Söhne Noahs und Bruder Sems und Japheths (V, 1553). In der mythischen Ordnung des Romans ist er einer der Üblen, der ›Roten‹, ja sogar einer derer, die die Spuren gelegt haben, in denen die ›roten‹ Gegenbrüder und Vaterschänder wandeln (vgl. v.a. Ismael). Denn in der »verdammten Geschichte [...] mit Noah im Zelt« hatte er seinen im Weinrausch entblößten Vater Noah verhöhnt (entmannt) und war darauf mitsamt seinem »üblen Söhnchen« Kenaan verflucht worden (V, 1143 f.; vgl. Genesis 9,22).
Seitdem, belehrt der Erzähler seine Leser, hatte der Gedanke der ›Blöße‹ und ›Entblößung‹ seine ursprüngliche »Unschuld und Heiterkeit« verloren und »einen Knacks abbekommen für immer, war rot und anrüchig geworden«, so daß »schließlich alles Verwehrte und Fluchbedachte auf dem Felde der Sinnenlust und Fleischesvermischung, darunter aber besonders [...] der Sohneseinbruch ins väterlich Vorbehaltene, ›Entblößung‹ hieß« (V, 1143 f.).
Für die Abrahamsleute und besonders für Jaakob sind die aus Chams Nachfahren hervorgegangenen Völker deshalb Inbegriff der Schamlosigkeit und religiösen ›Narrheit« (IV, 417), namentlich Kanaan und Ägypten, als deren Stammväter Chams Söhne Kenaan und Mizraim gelten (vgl. Genesis 10,6). Jaakob duldet auf seinem Hof keine Chamiten »ihres Ahnen wegen, des Vaterschänders« (IV, 20).
Nach seinem Fehltritt mit Bilha wird Ruben vom Vater folgerichtig als »Cham, Vaterschänder« beschimpft (IV, 86), und »es ist nicht zu sagen, wie es dem fehlbaren Ruben durch Mark und Bein gegangen war, als der Vater ihm seinerzeit den anrüchigen Namen des Cham entgegengeschleudert hatte« (IV, 94).
Chams Tat wird im Roman meist mit ähnlicher Delikatesse behandelt wie in Genesis 9,22. Dass er Noah nicht nur in seiner Blöße verhöhnt, sondern wie Kronos den Uranos ›mit der Sichel‹ entmannt hat, wird nur an zwei Stellen explizit gesagt (IV, 24; IV, 215). Darin folgt TM den »Sagen der Juden«, die Noahs Fluch folgendermaßen zitieren: »Du ließest mich nicht noch einen Sohn zeugen, darum sollst du ein Knecht sein deinen Brüdern« (Gorion I, 229). In einer anderen Variante der Geschichte schreiben sie die Tat nicht Cham, sondern seinem Sohn Kenaan (Kanaan) zu und nennen sie dort auch ausdrücklich beim Namen: »er trat an ihn heran und verschnitt ihn« (Gorion I, 230). Auch darauf wird im Roman versteckt angespielt (vgl. IV, 417). – Die Farbe Rot spielt auch hier eine Rolle: »Dafür, daß Ham mit seinen Augen die Blöße seines Vaters geschaut, wurden seine Augen rot«, heißt es, und überdies: »dafür, daß er sein Angesicht nicht abgewandt hatte, wurden die Haare seines Kopfes und seines Bartes wie versengt; dafür, daß er seines Vaters Blöße nicht zugedeckt hatte, sollte er selber nackend herumgehen mit bloßer Scham« (Gorion I, 229).
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Cha'ma't
Der »lange Cha'ma't« (IV, 850) ist »Schreiber des Schenktisches« in Potiphars Haus (V, 916) oder, wie Joseph ihn weniger respektvoll nennt, »Cha'ma't von der Speisekammer« (V, 1302). Er hat (wohl vom ständigen Schreiben) vorfallende Schultern, und stets sitzen ihm mehrere Schreibrohre hinter beiden Ohren (IV, 802), die er »erstaunlich balancierte, denn sie saßen wie angeleimt und kein einziges fiel herunter« (IV, 810).
Er ist gleich bei Josephs Eintritt in Peteprês Haus zur Stelle, denn er führt im Auftrag Mont-kaws die Verhandlungen mit dem alten Midianiter über Josephs Kaufpreis (IV, 810-813). Für den potentiellen Konkurrenten hat er von Anfang an wenig übrig und behandelt ihn abfällig, gerät aber gleich bei ihrer ersten Begegnung unter vier Augen in eine Art Rechtfertigungszwang und hat das Gefühl, »was ganz eigentümlich Wahrhaftiges« sagen zu müssen (IV, 849-852).
Der »Zögling des Bücherhauses« (IV, 849) gehört zu den »mittlere[n] Leuten«, die es nicht »auf Weiteres und Höheres« abgesehen haben, »schlaffe Seelen, die am liebsten nur aufschrieben, was man ihnen in die Binse diktierte, und überhaupt nicht auf den Gedanken kamen, sie könnten zu Überblick und Herrschaft geboren sein, was sie ebendarum denn auch nicht waren« (V, 927). Dennoch missgönnt er Joseph den raschen Aufstieg in Potiphars Hauswesen (V, 1298).
Weiter ist von Cha'ma't im dritten Teil des Romans dann nicht mehr die Rede. Erst zu Beginn des vierten Teils kommt er wieder ins Spiel, denn ihm fällt die Aufgabe zu, den erneut zur ›Grube‹ Verurteilten in das Gefängnis Zawi-Rê in Unterägypten zu bringen (V, 1292-1312). Während der Schiffsreise in den ›greulichen Bocksgau‹ setzt er sich öfter zu Joseph, »teils aus Langerweile, teils um sich an der Herabgesetztheit dessen zu weiden, der ihn vordem im Hause so hoch überwachsen hatte« (V, 1298). Doch er kommt dabei nicht recht auf seine Kosten, denn Joseph verhält sich »sehr hochnäsig« gegen ihn (V. 1298). Außerdem muss er seinen gefesselten Gefangenen eigenhändig ›atzen‹, was ihm unangenehm ist, und muss sich dabei auch noch dessen Spötteleien anhören (V, 1303). Nach ein paar Tagen gibt er entnervt auf und beschließt, ihm bis zur Ankunft in Zawi-Rê die Fesseln abzunehmen und ihn frei auf dem Schiff umhergehen zu lassen (V, 1303 f.).
Als Führer ins ›Untere‹ ist auch Cha'ma't eine Hermes-Figur, wenn auch minderen Ranges und eher an den kichernden Schakal Anup (vgl. IV, 221) als an den ›Mann auf dem Felde‹ erinnernd, mit dem ihn freilich, wie Berger (253) bemerkt, die verdrießliche Haltung gegen Joseph und die oft betonte Körperlänge (IV, 802, 810, 812, 849 f.; V, 1303) verbindet.
Abb.: (1) Schreiber von der Türwand eines Grabes in El Amarna (Lepsius III, 97b). – (2) Schreiber in einem Grab in Gizeh (Lepsius II, 9). – Ausschnitte aus Digitalisaten des Lepsius-Projekts mit freundlicher Genehmigung der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt. – TM kannte nahezu identische Zeichnungen aus Erman/Ranke (125, Abb. 37 und 38), wo sie als Beispiele für Schreiber des Neuen (1) bzw. des Alten Reichs (2) verwendet werden.
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Chammu
Einer der babylonischen »Schmeichelnamen«, mit denen der Knabe Joseph in der Brunnenszene am Beginn des Romans den Mond anruft. Chammu, so belehrt uns der Erzähler, bedeute ›Oheim‹ und sei auch in dem legendären Namen »Chammurabi's, des Gesetzgebers« (vgl. Chammuragasch) enthalten »des Sinnes: ›Mein göttlicher Oheim ist erhaben‹« (IV, 66).
TM folgt hier Jeremias I, 258.
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Chammuragasch (Chammurabi, Chamurapi, Amraphel, Gesetzgeber)
»Chammuragasch, der Gesetzgeber« ist Hammurabi. Der Erzähler betont weniger seine politische Bedeutung (als Begründer des altbabylonischen Reiches) als vielmehr die zivilisatorische Leistung seiner Gesetzgebung (des Codex Hammurabi). Deshalb nennt er ihn häufig nur »der Gesetzgeber« (IV, 20, 77, 102, 132, 265, 322, 419).
Mehrfach nennt er ihn auch mit dem Namen des legendären »erste[n] König[s] auf Erden, der den Bel von Sinear gezeugt hatte«: Nimrod (IV, 15). Das sei aber nur als eine »Rang- und Gattungsbezeichnung« zu verstehen (IV, 420), denn die spielerische Gleichsetzung des großen Gesetzgebers Chammuragasch mit dem »vorfrühen Nimrod«, die Joseph gern betreibe, kleide zwar »seinen Geist recht anmutig«, sei »dem unsrigen aber als unschicklich verwehrt« (IV, 15).
Der erste Teil des Namens – Chammu – bedeute ›Oheim‹, lässt der Erzähler wissen, die Namensform »Chammurabi« heiße soviel wie ›Mein göttlicher Oheim ist erhaben‹ (IV, 66).
Abraham war nach Überzeugung des Erzählers Zeitgenosse und Untertan des Hammurabi (IV, 15, 420, 435). Ein Grund seiner Auswanderung aus Ur in Chaldäa könnte, so vermuten er und sein Held Joseph, der Sonnenkult gewesen sein, den Chammuragasch befördert habe, der Umstand, dass »der Gesetzgeber seinem Gotte Marudug, der da ist der Sonnenbrand, mächtig das Haupt erhoben und ihn erhöht hatte über alle Götter von Sinear« (IV, 102; vgl. auch IV, 11).
Das ist durchaus wörtlich gemeint, denn Chammuragasch hatte den Turm zu Babel, das »hochragende Sonnenhaus«, den »Mardug-Tempel Esagila zu Babel« zwar wohl nicht errichtet, aber »erneuert und übermächtig erhöht«, was Urvater Abraham »auf beleidigende Weise« beeindruckt habe (IV, 11) und wahrscheinlich der »erste Anlaß seines Verdrusses und Wandertriebes« gewesen sei, weil es seine »Liebe zum Monde, der Gottheit von Uru und Charran« gekränkt habe (IV, 426).
Bei der Diskussion der Brüder über die Legitimität des Racheprinzips (»Von Lamech und seiner Strieme«, IV, 547-553) ist es Ruben, der von der zivilisatorischen Bedeutung der Gesetzgebung spricht, deren Inbegriff für ihn der ›Codex Hammurabi‹ ist: »Ich will dir sagen«, entgegnet er Levi, der den Zeiten Lamechs nachtrauert, »was aus des Mannes Hand nimmt seine Rache und macht, daß wir ungleich geworden Lamech, dem Helden. Es ist zweierlei: Babels Satzung und Gottes Eifer, die sprechen beide: Die Rache ist mein. Denn die Rache muß von dem Manne genommen sein, sonst zeugt sie wild weiter, geil wie der Sumpf, und die Welt wird voll Blutes« (IV, 550).
Band IV: 11-13, 15, 33, 20, 66, 77, 102, 132, 265, 322, 419, 420, 426 f.,433, 435, 437 f.
Band V: 994.
Die von TM bevorzugt verwendete Namensform »Chammuragasch« erscheint in älteren orientalistischen Arbeiten häufiger (Schreibung oft auch: »Chammuragas« oder »Khammuragas«). Die Identifikation von Hammurabi und Amraphel (IV, 420) beruht wohl auf Jeremias I (284). – Abb.: Basaltstele mit dem »Codex Hammurabi« (Louvre) – Foto: Sailko. Lizenz: Creative Commons BY-SA 3.0. Bildquelle: Wikimedia Commons.
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Chamor Hemor
Chamsin
Der heiße »Glut- und Wüstenwind«, der »beizeiten schon« dem Set oder Typhon zugeeignet worden ist (IV, 190). In den von Joseph vorausgesagten Dürrejahren weht er »während der ganzen Sommer- und Erntejahreszeit, Schemu genannt, vom Februar bis Juni, fast ununterbrochen« und lässt die Pflanzen verdorren (V, 1583).
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Chanigalbat Mitanni
Chapi
Der Name Chapi wird im Roman in drei Bedeutungen verwendet:
(1) als Name des Flusses Nil
(2) als Name des Nilgottes
(3) als Name des heiligen Stiers im Ptach-Tempel zu Menfe.
Die Namensidentität spiegelt das allen drei Bedeutungen gemeinsame Konzept nährender Fruchtbarkeit: Chapi, der Stier, die ›lebende Wiederholung‹ des Schöpfergottes Ptach in Memphis, ist ein Inbild der Fruchtbarkeit und schwarz wie der Schlamm des Stromes Chapi, des ›Überwallenden‹ und ›Anschwellenden‹, der mit seinen jährlichen Überschwemmungen die Äcker nährt. Und Chapi, der Gott mit dem weiblich gerundeten Bauch und halb männlicher, halb weiblicher Brust, ist Zeugender und Nährender in einem.
Alle drei, der Stier, der Strom und sein Gott, sind Lebensspender und Ernährer, weshalb z.B. Bata, der Bäckermeister von Menfe, den ganzen Tag nichts mehr essen muss, wenn er Chapi, den Stier, beim Apis-Fest gesehen hat (IV, 757). Deshalb ruft auch z.B. das Volk von Menfe, wenn es Joseph, ›den Ernährer‹, durch die Straßen fahren sieht, »Chapi! Chapi!« (V, 1505) und sieht »in träumerischem Wörtlichnehmen einiger seiner Titel«, eine »Art von Nil-Gottheit« in ihm, »ja, eine Verkörperung Chapi's selbst, des Erhalters und Lebensspenders« (V, 1758). Und nicht zufällig hat Joseph den Empfangssaal seines Amtshauses in Menfe mit vielen Darstellungen des Nilgottes ausschmücken lassen (V, 1598).
Der enge Zusammenhang zwischen den Dreien wird zudem sprachlich durch den wechselweisen Austausch ihrer Attribute signalisiert (vgl. z. B. IV, 692: »Chapi, der starke Stier, der Gottesstrom«). Dennoch haben die drei Erscheinungsformen Chapis ihre je eigene erzählerische Präsenz.
Chapi, der Fluss (Nil, Jeôr, Hapi)
»Du sprichst vom ›Land des Schlammes‹, als wär's ein Dreckland«, tadelt der alte Midianiter seinen naseweisen Jungsklaven Joseph, und hebt an zu einem Lob der Kultur Ägyptens und seiner Fruchtbarkeit. »Wovon aber ist's fruchtbar? Von wegen des Gottesstromes, einzig von seinetwegen. Denn es hat seinen Regen und sein Manneswasser nicht am Himmel, sondern auf Erden, und der Gott ist's, Chapi, der starke Stier, der breitet sich sanft darüber hin und steht segensreich darüber eine Jahreszeit lang, zurücklassend die Schwärze seiner Kraft, daß man drin säen kann und erntet hundertfältige Frucht. Du aber redest, als sei's eine Mistgrube« (IV, 684 f.). Mit seinen jährlichen Überschwemmungen ist »Chapi, der Ernährer« (V, 1529) die Lebensgrundlage Ägyptens.
Grund genug für seine Vergöttlichung, die nicht nur den gleichnamigen Flussgott und den heiligen Stier von Menfe betrifft, sondern auch Beziehungen zu dem ›Ersten des Westens‹, zu Osiris, herstellt. Denn dessen Tod und Wiederkehr wiederholen sich »im Gleichmaß der Gezeiten« des Gottesstromes, weiß der alte Midianiter zu berichten. »Zählst du die Tage der Winterzeit, da der Strom klein ist und das Land trocken liegt, so sind's zweiundsiebzig, und die Zweiundsiebzig sind's, die mit Set, dem tückischen Esel, verschworen waren und in die Lade brachten den König. Aber aus dem Unteren geht er hervor zu seiner Stunde, der Wachsende, Schwellende, Schwemmende, der Sichvermehrende, der Herr des Brotes, der alle guten Dinge zeugt und alles leben läßt, mit Namen ›Ernährer des Landes‹« (IV, 692).
Diese enge Verknüpfung des Nils mit Osiris steigert sich in Mythen und Sagen zur Identifikation beider dergestalt, dass das Nilwasser selbst als Osiris, seine Abnahme in der Trockenzeit als Abstieg in die Unterwelt und seine Schwemme als Wiederauferstehung des Gottes gedacht werden (V, 1577). Das nimmt der Erzähler zum Anlass, sich auf den aufgeklärten Modernen hinauszuspielen. Er mokiert sich ausgiebig über die »höchst kindische[n] Vorstellungen« der Ägypter von einem unterirdischen Ursprung des Nilwassers und spielt dann (seine Rolle als moderner Mythenerzähler ironisierend) den Mythos gegen die Naturwissenschaft aus, indem er eine besserwisserische ›Aufklärung‹ über die Herkunft des Nilwassers aus den »äthiopischen Alpen« und über die meteorologischen Ursachen der jährlichen Überschwemmungen folgen lässt (V, 1578 f.).
Selbst der aufgeklärte Pharao Echnatôn huldigt jener ›kindischen‹ Vorstellung und erklärt sich den Regen, der in den ›Fremdländern‹ fällt, damit, dass der Nil dort »an den Himmel gesetzt« sei, damit »er auf ihre Leute herabfalle«, während er in Ägypten »aus der Erde quillt und die Wüste düngt, daß wir essen« (V, 1457).
Für die Ägypter fließt jeder Fluss, der nicht wie der Nil von Süden nach Norden fließt, verkehrt herum, während man anderswo, am Euphrat zum Beispiel, »im Gegenteil fand, der Strom Ägyptens fließe verkehrt« (IV, 773 f.).
Vgl. Karte von Ägypten. – Jeôr ist der hebräische Name des Nils (vgl. IV, 713, 729; V, 948, 1292, 1474). – Die Beschreibung der Beziehung zwischen dem Nil und Osiris stützt sich vermutlich auf Mereschkowskij (S. 70 f. u. pass.); vgl. auch Erman, S. 40-42. – Die Identifizierung des Apis-Namens ›Chapi‹ mit dem Namen des Nils beruht nach Assmann auf einem Missverständnis. Tatsächlich haben beide Namen »nicht das Geringste miteinander zu tun, und ebensowenig gibt es eine Beziehung zwischen Nil und Apis-Stier« (Assmann II, 98).
Chapi, der Flussgott
Die Erscheinung des Nil-Gottes verbildlicht die mann-weibliche Doppelnatur des Flusses als »Erhalters und Lebensspenders« (V, 1758). In Josephs Amtssitz in Menfe ist »Chapi, der Überwallende«, vielfach abgebildet, »menschengestaltig, mit verhülltem Geschlecht, eine Brust männlich, die andre vom Weibe, den Königsbart am Kinn, Sumpfpflanzen auf dem Haupt, auf den Handflächen das Gabenbrett mit Blüten des Dickichts und schlanken Wasserkrügen« (V, 1598).
Um diese Bildvorstellung und die ihr zugewiesene Idee der »Vollkommenheit des Zwiegeschlechtlichen« (IV, 875) ist es dem Erzähler zu tun. Darüber hinaus findet die Figur des Nil-Gottes, anders als der Nil selbst, im Roman kaum Erwähnung.
Die Beschreibung des Nilgottes folgt der (hier reproduzierten) Abbildung bei Erman/Ranke (S. 514). – Nach Erman (S. 16 f.) hat der Nil-Gott »im Kreise der Götter eigentlich nur eine dienende Stellung; in den Tempeln steht er in der Tracht der Schiffer und Fischer als ein halbweibliches Wesen vor den großen Göttern und überreicht ihnen die Erzeugnisse seiner Flut.« – Vermutlich hatte diese Gottheit kein eigenes Heiligtum und auch keinen Mythos, keine eigene Geschichte, sondern ist eher als einfache Personifikation des Flusses zu denken. – Über die Bedeutung der zwiegeschlechtlichen Darstellung des Nil-Gottes sind sich die Fachleute keineswegs so sicher wie der Erzähler. Erman bemerkt kurz und trocken: »weshalb man ihn so [...] darstellt, weiß ich nicht« (S. 441, Anm. 1 zu S. 17). – Abb: Der Nilgott (Schemazeichnung nach typischen Darstellungen).
Chapi, der Stier
Der heilige Stier von Menfe ist die ›lebende Wiederholung‹ des Herrn« von Menfe, des alten Gottes Ptach, »erzeugt von einem Lichtstrahl des Himmels in einer Kuh, die nachher nie wieder gebar« (IV, 752). Er bringt seine Tage im »Lampendämmer seines Kapellenstalles« im Ptach-Tempel, hinter »Bronzetüren im Hintergrunde eines himmeloffenen Säulenhofs« zu und wird dem Volk beim Apis-Opfer regelmäßig vorgeführt, »daß es leben sähe den Gott und man ihm Opfer brächte« (ebd.). Joseph wird bei seinem ersten Aufenthalt in Menfe Zeuge einer solchen Veranstaltung und lernt dabei den Bäckermeister Bata kennen, den er über Glauben und Gebräuche der Ägypter ausfragt (IV, 752-760).
»Ungeheuer schön« ist Chapi, wie er da von zwei Pflegern in »Schurzen aus gefälteltem Goldstoff« vorgeführt wird, die ihn »beiderseits an vergoldeten Stricken« halten (IV, 755): Schwarz, stark, mit einer scharlachroten Schabracke angetan, die einer der Pfleger ein wenig anhebt, um dem Volk den weißen Fleck an seiner Flanke zu zeigen, »in dem man das Abbild der Mondsichel zu erkennen hatte« (IV, 755 f.). Das ist das Zeichen des Osiris, zu dem Chapi dann auch selbst wird, wenn er stirbt und »Usar-Chapi« (IV, 692, 758) oder »Serapis« (V, 969) heißt. Nach seinem Tod wird er einbalsamiert und im »ewigen Hause der Gottesstiere« beigesetzt (IV, 757).
Joseph-Usarsiph findet das alles »zum Sinnen und Lachen«: »Da heißt ihnen Chapi nun die lebende Form des Ptach, und eine solche, meine ich, kann Ptach wohl brauchen, da er selber offenkundig gewickelt ist und ist eine Leiche. Sie aber ruhen nicht, bis sie auch die lebende Form gewickelt haben und haben einen Usir ebenfalls aus ihr gemacht und eine Gottesmumie, eher ist's ihnen nicht recht. Ich aber habe was übrig für Menfe, dessen Tote nicht übers Wasser zu reisen brauchen, weil's schon selber im Westen liegt, – diese große Stadt, so voller Menschen, die bequem seinen Grabesnamen zusammenziehen« (IV, 760).
Einige Jahre später, bei seiner zweiten Fahrt in die ›Grube‹, wird er selber »am Seile geführt [...] wie Chapi, die lebende Wiederholung des Ptach, in seinem Tempelhofe zu Menfe, ein Gefangener Ägyptenlandes, wie jener Rindsgott; denn zwei vom Gesinde Peteprê's hielten die Enden seiner Armfessel und führten ihn so vor sich her« (V, 1305).
Vgl. Erman, S. 26, 333, 386, 397 (Apis) und 384 f. (Serapis). – Wie schon erwähnt, beruht die Identifizierung des Apis-Namens ›Chapi‹ mit dem Namen des Nils nach Assmann auf einem Missverständnis. Tatsächlich haben beide Namen »nicht das Geringste miteinander zu tun, und ebensowenig gibt es eine Beziehung zwischen Nil und Apis-Stier« (Assmann II, 98). – Abb.: Bronzefigur des Apis (um 600 v. Chr.).
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Charran (Charan, Nahors Stadt, Stadt des Weges)
In Charran im nordwestlichen Mesopotamien, im Land Naharina, macht der Erzvater Abraham bei seiner Wanderung von Ur im südlichen Mesopotamien nach Kanaan für mehrere Jahre Station. Davon wird im Vorspann »Höllenfahrt« (IV, 9-55) und verstreut in den ersten beiden Teilen des Romans rückschauend berichtet: Abraham gelangte nach Charran, »der Mondstadt des Nordens [...] im Lande Naharain, wo er mehrere Jahre verblieben war und Seelen gesammelt« hatte (IV, 12). Charran hatte sich aber für den ruhelosen, gottsuchenden Erzvater »in Wahrheit nur als ›Stadt des Weges‹ erwiesen, [...] aus welcher der Mondmann über ein kleines sich wieder gelöst hatte, nebst Sarai, seiner Eheschwester, und allen seinen Verwandten« (IV, 12).
Charran wird gelegentlich auch »Nahors« oder »Nachors Stadt« genannt (IV, 122, 222; vgl. auch Genesis 12, 4 und 24,1), was auf den Umstand hindeutet, dass Abrahams Bruder Nahor, in der Gegend um Charran geblieben zu sein scheint, denn zu Isaaks und noch zu Jaakobs Zeit leben Nahors Nachfahren hier, darunter sein Sohn Bethuel und dessen Kinder Rebekka, Jaakobs Mutter, und Laban, Jaakobs Onkel und Schwiegervater. Von Labans Gehöft aus kann man über die offene Steppe hin am Horizont den »Stufenturm des Mondtempels von Charran« E-chulchul sehen (IV, 236).
Dorthin, zu Laban, flieht Jaakob vor Esau (IV, 214-231), nachdem er dem Vater Jizchak den Erstgeburtssegen abgelockt hat (IV, 201-214). Er bleibt dort, wie der Erzähler errechnet, 25 Jahre (IV, 245), hält Hochzeit mit Labans Töchtern, Lea und Rahel, und wird schwer an Vieh und Gesinde (IV, 358). Hier werden Joseph und seine zehn älteren Brüder geboren (IV, 108), Joseph im »zwanzigsten Charranjahr« (IV, 246).
In Charran schließen Jaakob und Laban ihren Vertrag vor einem Schreiber und Rechtsbeamten (IV, 249 f.). Anschließend machen sie dort einige Einkäufe und Jaakob sieht nun, teils missbilligend, teils neidisch, den prunkvollen Tempel des »Bel-Charran«, des Mondgottes Sin, aus der Nähe, »ein siebenfarbiges Ungetüm aus Kacheln, azurblau in der Höhe, so daß das dortige Heiligtum und Absteigequartier des Gottes, wo ihm ein Hochzeitsbett errichtet war, mit dem Blau der oberen Lüfte gleißend zusammenzufließen schien« (IV, 250).
In der Gegend von Charran ist, was Jaakob lange nicht weiß und schmerzlich erfahren muss, »die Ehe mit zwei gleichberechtigten Hauptfrauen sehr häufig, ja unter guten Vermögensumständen geradezu üblich« (IV, 255).
Aus Charran kommen die »Musikanten, Harfenisten, Pauker und Cymbelspieler«, die bei Jaakobs (Doppel-) Hochzeit aufspielen (IV, 299), und nach Charran, zum »Sehepriester des Sin-Tempels E-chulchul«, bringen Laban und Adina ihre (mit Joseph) schwangere Tochter Rahel, »damit er ihr und dem Kinde durch Wahrsagung die Zukunft deute« (IV, 337).
Nach Genesis 11, 26 f. ist Charran (Haran) nicht nur ein Ortsname, sondern auch der Name eines Bruders von Abraham, der früh, noch in Ur in Chaldäa, stirbt und dessen Sohn Lot ist. Der Erzähler hält das für eine Erfindung und Verwechslung: »Gewiß, Lot von Sodom war ein Sohn Charrans, da er von dort stammte, so gut wie der Ur-Mann. Aber aus Charran, der Stadt des Weges, einen Bruder des Ur-Mannes und also aus dem Proselyten Lot einen Neffen von ihm zu machen, war eitel Träumerei und Gedankenspiel« (IV, 17).
Vgl. Übersichtskarte. – Charran (Haran, Harran, lat. Carrhae), heute eine Kleinstadt südöstlich von Urfa in der Harran-Ebene (Türkei), war eine wichtige Handelsstadt am Belich, dem linken Nebenfluss des Euphrat. Die Stadtgottheit war der babylonische Mondgott Sin.
Wenn die Wanderungen Abrahams auf die Zeit Chammuragaschs (d.i. Hammurabi) zu datieren sind, wie TM voraussetzt (IV, 15), gehört Charran zu dieser Zeit, zumindest nach der Einschätzung von TMs Gewährsmann Jeremias I (260 f.), zum geeinten babylonischen Reich und steht als »Mondstadt des Nordens« (IV, 12) in engster Verbindung zur »Mondburg« (IV, 11) in Ur im Süden des Reichs, aus dem Abraham gen Norden aufbrach.
Für die Zeit Jaakobs und Josephs, die TM, Jeremias I (337) u.a. folgend, auf die Zeit um und nach 1400 v. Chr. datiert, trifft das aber wohl nicht mehr zu. In dieser Zeit gehört Charran wahrscheinlich zum Gebiet des Mitanni-Reiches (unter den Königen Schutarna und Tuschratta) und seit dessen Niedergang zum hethitischen Großreich (Chatti) unter Suppiluliuma I. Das wird im Roman nicht erkennbar (Laban wird sogar ausdrücklich als »Untertan Babels« bezeichnet: IV, 253), ist aber auch von geringem Belang. Für Jaakobs Reise nach Charran kommt es darauf an, dass sie in eine babylonisch geprägte Kultur führt, ins Land des babylonischen Mondgottes Sin und des Ischtar-Mythos, in die Unterwelt (Kurnugia), wie Jaakob Naharina nennt.
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Chatti (Cheta; Chetiter, chetitisch, chettitisch)
Als Abraham nach Kanaan kam, waren dort »Männer von Chatti die Herren« (IV, 12). Das sind die Hethiter. Auch zu Jaakobs und Josephs Zeit spielt das Reich der Hethiter im Norden eine wichtige politische Rolle, insbesondere als Gegenspieler Ägyptens im Kampf um die Vorherrschaft in Kanaan und im nördlichen Mesopotamien.
Jaakobs Gast Jebsche weiß zu erzählen, dass der hethitische Großkönig Schubbilulima den König des mit Ägypten verbündeten Mitanni-Reiches, Tuschratta, »mit Überwältigung und Wegführung seiner Götter bedrohe, obwohl doch dieser mit dem Großen Hause von Theben verschwägert sei« (IV 76 f.).
Auch »Amuns Erster«, Beknechons, der »Vorsteher der Priester aller Götter von Theben« (V, 948), macht sich Gedanken um die Machtverteilung zwischen Cheta und Mitanni und deren Folgen für Ägypten (V, 955 f.), die er politisch gegen Amenhotep III. auszuspielen interessiert ist.
Um sich Pharao als politischer Ratgeber zu empfehlen, nutzt Joseph sein Wissen über die wankelmütigen syrischen Stadtfürsten, von denen so mancher »Pharao zwar Ergebenheit heuchelt, zugleich aber mit den Chetitern äugelt und packelt um seines Eigenvorteils willen« (V, 1476).
Die Bedrohung der ägyptischen Ost-Provinzen durch die Hethiter, die die Aufsässigkeit der syrischen Stadtfürsten unterstützen (wie z.B. die des Milkili in Asdod), macht Echnatôn in der Tat schwer zu schaffen. In dieser Lage kommen ihm die sieben Dürrejahre und die Wirtschaftspolitik seines ›Obersten Mundes‹ Joseph zu Hilfe, denn sie »nahmen dem Werberuf Amuns vieles von seiner Kraft, indem sie die wankelen Kleinkönige Asiens in wirtschaftliche Fesseln schlugen«. So wird Pharao davor bewahrt, »sein Schwert zu färben« (V, 1768).
Von einem Chetiter namens Ephron kaufte Abraham einst das Erbbegräbnis »Machpelach, die doppelte Höhle«, in der Nähe des Hains Mamre bei Hebron (IV, 163; V, 1723).
Esau heiratet, sehr zum Kummer seiner Eltern, mehrere Chetiterinnen, die unter ihren Augen ihren »angestammten Natur- und Bilderdienst treiben« (IV, 199) und Rebekka viel Verdruß bereiten (IV, 130; vgl. auch IV, 133).
Mit dem Vorwand, Jaakob müsse durch eine Reise zu Laban vor einer Ehe mit einer »Chetiterin, die Bildergreuel einschleppen werde, wie Esau's Weiber«, bewahrt werden, bemäntelt Rebekka Jaakobs Flucht nach dem Segensbetrug und erreicht so Isaaks Zustimmung zu der Reise (IV, 216).
Joseph lernt bei Eliezer chetitisch sprechen und schreiben (IV, 26). Auf seiner Reise zu den Brüdern nach Schekem lässt er seine »Sprachkenntnisse glänzen« (IV, 533).
TM hält sich hier im Wesentlichen an Jeremias I (216-220). – In der ersten Hälfte des 14. Jhs. v. Chr. steigt Chatti unter Suppiluliuma I. neben Assyrien zur Großmacht auf und Mitanni verschwindet von der Landkarte. – Vgl. Karte von Chatti und Mitanni (Wikipedia) und Karte des Hethiter-Reiches um 1400 v. Chr. (nach dem Zerfall Mitannis und dem Aufstieg Assyriens).
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Chattusil (Chattuschili)
Hethitischer Großkönig (V, 1810), dessen Land zu den Handelsplätzen des alten Midianiters zählt, zu denen er nach seinem Aufenthalt in Ägypten zurückzukehren gedenkt (IV, 690).
Die Schreibung des Namens übernahm TM vermutlich von Erman/Ranke (49 u.ö.), bei dem allerdings von Hattušili III., einem Zeitgenossen Ramses' II., die Rede ist.
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Chazati Gaza
Cherub, Cherubim (Cherubu, pl. Cherubim, Cheruben)
Die geflügelten Wesen, von denen zwei das Paradies bewachen »mit hauendem Schwert« (V, 1552), gehören wie die Seraphim zu den höchsten Engeln, sie tun Dienst in der nächsten Umgebung des Gottesthrons und haben zum Zeichen ihres hohen Rangs sechs Flügelpaare (IV, 47). Jaakob und Joseph sehen sie in ihren Himmelsträumen (IV, 113, 141-143, 459-468).
Vom Vater nach den Wetteraussichten befragt, berichtet Joseph, dass am Tag zuvor, als er unter dem Unterweisungsbaum geschlummert hatte, ein »Cherubu« namens Jophiel ihn »freundlicherweise« zu den »Wettervorrichtungen« des Himmels geführt habe, »damit ich mich umsähe und etwas Einblick nähme«. Dabei habe er gehört, dass an die »Handlanger« in den »Höhlen voll Dampf« schon Befehl von höchster Stelle ergangen sei, für die erwünschten Spätregen zu sorgen (IV, 113).
Jaakob sieht in seinem Traum von der Himmelsleiter »gefiederte Menschentiere, Cheruben«, die die »Rampe« zu beiden Seiten bewachen. Es sind »gekrönte Kühe mit den Gesichtern von Jungfrauen und mit anliegenden Fittichen« (IV, 142).
Joseph schließlich gelangt in seinem großen Himmelstraum in den Araboth, den obersten Himmel und Thronsaal Gottes. Dort stehen Cherubim »zu beiden Seiten vor den Säulen und zwischen ihnen, ein jeder mit sechs Flügeln und ganz mit Augen bedeckt« (IV, 465).
Rahels Brautschleier, die Ketônet passîm, zeigt das gestickte Bild eines heiligen Baumes, »an dem standen zwei bärtige Engel gegeneinander und berührten ihn zur Befruchtung mit den schuppigen Zapfen der männlichen Blüte« (IV, 298). Als Joseph in Peteprês Garten Dattelpalmen bestäuben muss, erinnert er sich »auf nachdenklich-schmerzliche Art« an das ›teure und schrecklich verlorene Besitztum seines vorigen Lebens und an dieses Bild zweier Cheruben: »Josephs Arbeit nun war die jener Genien« (IV, 881).
Die Beschreibung der Cherubim stützt sich auf Benzinger (228-230, 330), Jeremias I (80, 99-101, 383 f., 618 f.), Jeremias II (413 f.) und Mereschkowskij (211). Letzterer bezieht sich insbesondere auf die Vision des Hesekiel (Hesekiel 1, 1 ff.), in der »Cherubim« den Gottesthron tragen, die man sich als »geflügelte assyrisch-babylonische Stiere, Kherubu« vorzustellen habe, wie wir sie von den Palästen Assurnasirpals in Nimrud und Sargons II. in Dur Scharrukin (vgl. Abb. 2) kennten.
Nach Jeremias und Benzinger haben die Cheruben oder Genien in der babylonischen wie auch in der jüdischen Vorstellungswelt unterschiedlichste Erscheinungsformen, werden als Menschengestalten mit Tierköpfen oder als Tiergestalten mit (weiblichen oder männlichen) Menschenköpfen, stehend, schreitend oder auch sphinxähnlich lagernd, dargestellt (Jeremias II, 413 f.; Benzinger 229; vgl. dort auch die Abbildungen).
Der Begriff »Cherub« wird nur an den oben erwähnten Stellen verwendet. Die mit ihm verbundenen Bildvorstellungen dürften aber auch bei der Darstellung weiterer Engelsfiguren wirksam gewesen sein, etwa bei dem Engel Amphiel aus Josephs Himmelstraum, dessen (nach Beendigung der Reise verwandelte) Gestalt den männlichen Genien von babylonischen Reliefs ähnelt, wie TM sie etwa bei Jeremias abgebildet fand (IV, 464; vgl. Jeremias II, 410, hier Abb. 1). Auch bei den vier »heiligen Tieren« und »Engelswächtern«, die am Gottesthron die vier Seiten der Welt bewachen, dürfte TM an Cheruben gedacht haben (IV, 37; vgl. Jeremias II, 414 und Gorion I, 55).
Neben den Cheruben gibt es die Seraphim, die, wie TM bei Gorion (I, 93) lesen konnte, ebenfalls sechs Flügelpaare ihr eigen nennen, nur übertroffen von dem »sehr großen Fürsten unter den Engeln« Semael, der vor seinem Sturz zwölf Flügelpaare besaß (IV, 47), ansonsten ist schlicht von Engeln die Rede.
Josephs Himmelstraum ist der Geschichte von Henochs Entrückung nachgebildet, die in den apokryphen Henoch-Schriften erzählt werden. TM kannte sie vermutlich aus Gorion (I, 293-308). Auch der Wettertraum ist an Henochs Himmelsreisen angelehnt (vgl. Kap. 17-18 des äthiopischen Henoch-Buchs). Die Details über die himmlischen »Wettervorrichtungen« folgen ebenfalls Gorion (I, 38 ff.).
Abb.: (1) Relief mit Schutzgeistern und Dattelpalme vom Palast Assurnasirpal II. in Nimrud – (2) Geflügelter Stier mit Männerkopf vom Palast Sargons II. in Dur Scharrukin (Khorsabad). – (3) Befruchtende Genien auf einer (auf einem Relief dargestellten) assyrischen Gewandstickerei aus Nimrud.
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Cheschwan
Am 10. Tag des Monats Cheschwan hatte, wie Joseph weiß, Noah die Tiere in seine Arche geladen, und am 17. Cheschwan war dann »die Flut ausgebrochen, zur Zeit der Frühjahrsschmelze, wenn der Siriusstern am Tage aufgeht und die Wasserbrunnen zu schwellen anfangen« (IV, 30).
Der Cheschwan ist der achte Monat des religiösen Jahres und der zweite Monat des jüdischen Kalenderjahres, er entspricht dem Oktober/November. – Vgl. dazu Susanne Galley: Das jüdische Jahr: Feste, Gedenk- und Feiertage, München 2003 (Becksche Reihe 1523), S. 21 f.
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Cheta Chatti
Chmunu (Schmun)
Hauptstadt des 15. oberägyptischen Gaus, des Hasengaus, am Westufer des Nils. Hier steht das Hauptheiligtum des Thot, der deshalb auch »Herr von Chmunu« (V, 1399) oder »Thot von Schmun« (IV, 27) genannt wird. Etwas südlich von Chmunu auf der Ostseite des Flusses baut Echnatôn seine neue Residenz Achet-Atôn.
Vgl. Karte von Ägypten. – Die Griechen nannten Chmunu Hermopolis (auch Hermopolis magna). Der Name spielt auf die enge Verwandtschaft Thots mit Hermes an. – Heute heißt der Ort El-Ashmunein.
Letzte Änderung: 17.04.2009 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Chnum
Bei seinem Gang durch Memphis beobachtet Joseph Töpfer, die »Chnum, dem Schöpfer, dem ziegenköpfigen Herrn der Drehscheibe«, Lieder singen (IV, 748). Der Gott ist in Elephantine beheimatet. Die Wendung »Bei Chnum, dem Großen, dem Herrn von Jeb!« gehört zu den ersten ägyptischen Redewendungen, die Joseph in Potiphars Haus erlernt (IV, 839). Chnum gehört neben Amun, Usir, Eset, Anup, Thot, Set und Ptach zu den Göttern, deren Gedächtnis Echnatôn ausradieren möchte (V, 1812).
Der »ziegenköpfige Schöpfergott von Elefantine« (Erman/Ranke, 61) hat auf der Töpferscheibe »die ersten Menschen verfertigt« (ebd., 545).
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Choiak
Der vierte Monat der ersten Jahreszeit des ägyptischen Kalenders, Achet, der Zeit der Nilschwemme. In diesen Monat fallen die großen Feiern zu Ehren des Osiris. In der letzten Woche des Choiak wird »das Fest der Erd-Aufreißung und der Errichtung des göttlichen Rückgrats« gefeiert (V, 1404), d.h. das Fest der Wiederauferstehung des Gottes. Josephs ›Auferstehung‹ aus seiner zweiten »Grube«, dem Gefängnis Zawi-Rê, findet kurz nach diesem Fest statt (vgl. ebd.).
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Chonsu (Chons)
Der »mondverbundene Chons« ist der Sohn des Reichsgottes Amun-Rê und seiner Gemahlin Mut, mit denen zusammen er die »Dreiheit von Weset« bildet (IV, 776). Sein Tempel liegt in der Nähe des großen Amun-Tempels in Karnak (IV, 772) und wird von einem »jungen blankköpfigen Hausbetreter« versorgt (V, 1011). Ihm ist die »Straße des Sohnes« gewidmet, eine »Hauptader« Thebens und »rechte Abrekh-Avenue, wo man immerfort gut tat, sein Herz fest zu sich zu nehmen«. Sie verläuft parallel zur »Feststraße« seines Vaters, der von Luxor nach Karnak führenden Widder-Sphinxallee (IV, 776).
Vgl. die Abbildung der »Dreiheit von Theben« bei Theben.
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Chuburfluss
Der um Joseph trauernde Jaakob verfällt in seinem unmäßigen Schmerz auf die Idee, den Sohn wie Ischtar den Tammuz aus der Unterwelt zurückzuholen: Man müsse »nur immer nach Westen gehen und den Chuburfluss überschreiten, dann kommt man an die sieben Tore«, die ins »Land ohne Wiederkehr« (Kurnugia) führen (IV, 650).
In der sumerisch-babylonischen Mythologie ist der Chuburfluss, wie TM bei Meissner I (34) lesen konnte, der Totenfluss; er fließt im Westen des Apsû, des Süßwasserozeans. Die Unterwelt selbst ist von einer siebenfachen Mauer umgeben, deren sieben Tore der Tote durchschreiten muss (Meissner I, 112).
Letzte Änderung: 01.05.2012 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Chufu
Über den Pharao des »vierten Hauses« (IV, 27), den Erbauer der großen Pyramide von Gizeh, weiß der alte Midianiter Geschichten, »wie das Volk sie sich heute von ihm, dem übermenschlichen Bauherrn, erzählte« und die für ein »schlimmes Gedenken« zeugen, das ihm »Kemes Leute über tausend Jahre und mehr« bewahrt haben: Chufu soll für den Bau »alles Volk ohne Ausnahme in die Fron gespannt« und ihm dreißig Jahre lang kein einziges Stündchen »zum eigenen Leben« gelassen haben. Als ihm die Mittel für das Wunderwerk ausgegangen waren, soll er seine eigene Tochter zur Prostitution gezwungen haben, »daß sie den Bauschatz auffülle mit ihrem Hurenlohn«. Während der Alte erzählt, blickt Joseph »mit großen Augen hinaus zu dem stereometrischen Grabesgebirge« (IV, 740), aber sein Blick stößt »gegen die kahl überdauernde Riesenmathematik, dies Großgerümpel des Todes, wie ein Fuß stößt nach Plunder« (IV, 741).
Unter den Büchern in Peteprês Bibliothek, aus denen Joseph seinem Herrn nach den Mahlzeiten vorliest, befindet sich auch die »Geschichte von König Chufu und jenem Dedi, der einen abgehauenen Kopf wieder aufsetzen konnte« (V, 918).
Chufu (Cheops) war der zweite Pharao der vierten Dynastie. Die Geschichten von Chufu überlieferte Herodot (Historien, 2. Buch, 124-126). – Die auf dem sog. Papyrus Westcar (Berlin) überlieferte Geschichte von Chufu und Dedi fand TM bei Erman/Ranke (435 f.) und in einer in seiner Bibliothek befindlichen Sammlung altägyptischer Märchen (Altägyptische Erzählungen und Märchen. Ausgewählt und übersetzt von Günther Roeder. Jena: Diederichs 1927). – Abb: Rekonstruktion des Pyramidenfeldes bei Gizeh von Uvo Hölscher (Ausschnitt), die TM aus Kaufmann (Abb. 90) kannte.
Letzte Änderung: 11.10.2010 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Chun-Anup (Glutbauch)
Obergärtner in Potiphars Garten, »Besteller der Blumentische« und zugleich »Apotheker und säftekundiger Salbader«, der Dienerschaft und Tiere in Potiphars Anwesen ärztlich versorgt. Seinen Spitznamen »Glutbauch« verdankt er der Form und Farbe seines rotgebrannten Bauches, der »dem sinkenden Gestirne gleich« über seinem Schurz hängt. Er ist untersetzt, trägt gewöhnlich eine Lotosblüte hinter dem Ohr, und sein sonnenverbranntes, »in sich zusammengezogen[es]« Gesicht zieren eine Knollennase und unregelmäßig wachsende Barthaare, die seine »tellurische, wenn auch augenzwinkernd in Sonnenröte getauchte Prägung« verstärken (IV, 879).
Bei Chun-Anup bekommt Joseph durch Gottliebchens Hilfe seine erste Anstellung in Potiphars Wirtschaft. Chun-Anup setzt ihn im Palmengarten ein, wo er die Bestäubung der Dattelpalmen übernehmen muss. Diese Tätigkeit gibt ihm Gelegenheit zu einer ersten Begegnung mit Potiphar (vgl. IV, 883-898).
Als Mont-kaw ernstlich erkrankt, lässt Potiphar einen »gelehrten Arzt« vom Amun-Tempel holen, dem Chun-Anup »gekränkt zwar, doch auch erleichtert von einer Verantwortung, deren Schwere zu erkennen er wissend genug war«, das Feld überlassen muss (V, 988). Der Arzt verwirft denn auch alle von Chun-Anup verordneten Anwendungen, »wobei aber der Unterschied zwischen seinen und des Gärtners Verordnungen [...] nicht so sehr medizinischer als gesellschaftlicher Art war: diese waren fürs Volk, wo sie recht Gutes ausrichten mochten, jene für die oberen Schichten, die man eleganter kurierte« (V, 989).