Lexikon zu »Joseph und seine Brüder« (1933-43)
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F
Feigenbaum
Feigenbäume sind, wie die Dattelpalmen, an allen Schauplätzen des Romans präsent: Im Hain Mamre bei Hebron stehen »großbelaubte Feigenbäume« (IV, 59), Josephs erste ›Grube‹, der Brunnen im Tal von Dotan, ist von Feigengebüsch umgeben (IV, 565), in Peteprês großem Garten wachsen neben Dornakazien, Dum- und Dattelpalmen, Sykomoren, Granat- und Perseabäumen auch zahlreiche Feigenbäume (V, 779, 852), und auch im Garten von Josephs ›Gnaden-Villa‹ in Menfe spiegeln sich Feigenbäume im Lotosteich (V, 1587).
Für die zahlreichen Komplimente, die der verliebte Jaakob als ein anderer Salomo seiner Braut Rahel macht, liefert auch die Feige bildlichen Stoff: »Dein Mund ist wie die jungen Feigen, wenn sie sich am Baume röten, und wenn ich ihn im Kuß verschließe, so hat der Hauch, der aus deinen Nasenlöchern kommt, den Duft von Äpfeln« (IV, 277).
Die Feige und der Ölbaum sind die beiden Bäume im »Garten der Welt«, von denen Joseph am Beginn des Romans zum Vater spricht (IV, 111 f.). Er ergänzt damit seine aus seinem Horoskop bezogene Selbstdeutung als ein doppelt, von »Tagessegen« und »Segen der Nacht« Gesegneter (IV, 108-110), dessen »Witz« den »Geschäftsträger und Unterhändler mache zwischen Vatererbe und Muttererbe« (IV, 110): Der Ölbaum ist der Lebensbaum und der Sonne heilig; er repräsentiert (wie der Wein) das Geist- und Vaterprinzip; der Feigenbaum dagegen ist dem Mond heilig, er ist der Baum des Erkennens und des Todes; er repräsentiert das Leib- und Mutterprinzip. Wer von seinen Früchten isst, wird sterben, aber seine Seele wird »Wurzeln haben, woher die Quellen kommen« (IV, 111).
Die Übertragung der kosmischen Gegensätze (Sonne vs. Mond) auf Öl- und Feigenbaum folgt den Bemerkungen zu Genesis 2,9 ff. von Jeremias I (74-77), der den ›Baum der Erkenntnis‹ im Garten Eden »schon durch den Effekt als Todesbaum« gekennzeichnet sieht und vermutet, dass damit der Feigenbaum gemeint sein könnte (76). – In »Die Bäume im Garten. Rede für Pan-Europa« von 1930 verwendet Thomas Mann zur Charakterisierung des »Weltgegensatzes« von Leben und Tod, Ober- und Unterwelt dieselben mythischen Symbole und spricht in ähnlichen Wendungen wie Joseph (vgl. den hier verfügbaren Auszug).
Abb.: Feige (Ficus carica L.) aus Amédée Masclef: Atlas des Plantes de France utiles, nuisibles et ornamentales. Paris 1891, Tafel 289. Bildquelle: WikimediaCommons.
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Führer durch die Wüste Mann auf dem Felde
Gad (Gaddiel)
Gad, auch Gaddiel genannt, ist der siebente der zwölf Söhne Jaakobs. Seine Mutter ist Silpa, Leas Magd, mit der Jaakob zwei Söhne, Gad und Ascher, zeugt (Genesis 30, 10 f.).
Der »gerade Gad« (IV, 77 u.ö.) ist von »rauher Ehrlichkeit« (IV, 488), »bieder und geradezu«, wie Joseph ihn, ein wenig scheinheilig, gegenüber dem Vater charakterisiert (IV, 83), denn er hält ihn doch eher für einen ungehobelten Klotz (IV, 77). Gad ist leicht erregbar und schnell kampfbereit; seine Neigung zu Kampf und Gewalt verbindet ihn mit den »wilden Zwillingen«, den Brüdern und Lea-Söhnen Schimeon und Levi.
Es sind diese drei, die, nachdem die Brüder Joseph verprügelt und gefesselt haben, sich anbieten, den Liebling des Vaters zu töten, und der Erzähler findet es »nur folgerecht, daß diejenigen es über die Lippen brachten und sich dafür zur Verfügung stellten, zu deren Rolle auf Erden es am besten paßte und die damit, sozusagen, ihrem Mythus sich gehorsam erwiesen: die wilden Zwillinge und der stramme Gad« (IV, 562). Anders als etwa Juda, dem »die an Joseph und an dem Vater begangene Tat entsetzlich nahe(ging)« (V, 1546), macht Gad sich daraus kein Gewissen (V, 1547).
Seinem »Mythus« entsprechend kleidet Gad sich wie ein Krieger, trägt in seiner Jugend einen »kurzen, mit schuppigem Wehrgehenk gegürteten Rock, auf den er Brustschilder genäht hatte und aus dessen kurzen Ärmeln seine roten und nervigen Arme mit ebenfalls nervigen und gedrungenen Händen hervorkamen« (IV, 488). Auch später geht er stets ›mit Erz benäht‹, im »Waffenrock« (V, 1600). Sein kriegerischer Habitus findet denn auch beim zweiten Aufenthalt in Ägypten die Sympathie Entef-okers, des Obersten in Pharaos Standtruppe in Menfe. Der »unterhielt sich schallend von Tisch zu Tisch über den Dreiecksraum hinüber mit dem geraden Gad, der ihm unter den Sandbewohnern am besten gefiel« (V, 1655).
Gad gehört neben Ruben, Juda, Naphtali und Benjamin zu den fünf Brüdern, die Echnatôn auf Josephs Vorschlag zu Hirten über seine königlichen Herden in Gosen beruft (V, 175).
Gads »Nervigkeit« (V, 1620) und seine gedrungene Gestalt geben auch das Motiv ab für den Vatersegen am Ende des Romans: »Gaddiel, es drängt dich Gedränge, aber letztlich drängst du. Dränge wohl, mein Gedrungener!« (V, 1801; Genesis 49, 19).
Band IV: 72, 77 f., 83, 157, 327 f., 442, 484, 487-489, 500, 506-508, 513 f., 519, 551 f., 554, 558, 562, 564, 570, 658.
Band V: 1470, 1520, 1540, 1547, 1600, 1620, 1655, 1751, 1801.
Vgl. Übersicht zur biblischen Genealogie und Karte der Stammesgebiete Israels.
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Ga-Ga, Das Land Magog
Garizim und Ebal
Die Stadt Schekem liegt zwischen den Bergen Garizim (im Süden) und Ebal (im Norden), weshalb sie auch »Mabartha oder Pass« genannt wird (IV, 71). Der Ebal mit seinen »kahlen Klippen« (IV, 160) ist der »Fluchberg«, in dessen Schluchten allenfalls »Ziegen nach trockenen Kräutern kletterten« (IV, 167); der oben zwar ebenfalls felsige, an seinen Hängen aber fruchtbare Garizim (vgl. IV, 164) ist der »Berg des Segens« (IV, 167).
Die Bezeichnungen ›Fluchberg‹ und ›Berg des Segens‹ folgen Deuteronomium 11,29; die Bezeichnung Schekems als Pass zwischen beiden Bergen folgt Jeremias I, 236. – In einem Brief an seine amerikanische Übersetzerin Helen T. Lowe-Porter vom 18.1.1934 erklärt Thomas Mann auf deren Nachfrage: »Der Fluchberg oder Berg des Fluches ist der Ebal, im Gegensatz zum Garizim, dem Segensberg.« Fluch bedeute hier soviel wie »Verdammung zur unfruchtbaren Öde« (Selbstkommentare, 82).
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Garten der Netzestellerin
Von Peteprê und Joseph verwendete Umschreibung für sexuelles Begehren. Die Wendung ist inspiriert durch die von Joseph vorgelesenen »Erfreuenden Lieder«, die von einer verliebten Vogelstellerin handeln und die Peteprê Anlass geben, Joseph nach seinem Verhältnis zur Sexualität zu befragen. Joseph erklärt ihm die Einstellung seines Stammes: »Der Garten da – nicht daß er uns Scheolsland wäre geradezu, ich will nicht zu weit gehen. Er ist uns kein Greuel, doch eine Scheu und ein dämonisch Bereich, ein Spielraum verfluchten Gebotes, von Gottes Eifersucht voll. Zwei Tiere liegen davor: ›Scham‹ heißt das eine, das andere ›Schuld‹. Und noch ein drittes blickt aus den Zweigen, des Name ist Spottgelächter.« (V, 924)
Letzte Änderung: 08.06.2015 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Gaza (Chazati)
Die Stadt an der Mittelmeerküste, im Süden des Philisterlandes, ist eine »starke Feste« (IV, 694). Durch Gaza führt eine vielgenutzte Reise- und Handelsroute, die Mesopotamien und Ägypten verbindet (IV, 10). Für die Pharaonen, die von Süden her »durch die elenden Länder Zahi, Amor und Retenu [...] bis ans Ende der Welt« vorstießen, »war immer Gaza die erste Etappe des Unternehmens gewesen« (IV, 699).
Die von Norden kommende Karawane der Midianiter hat zwei Möglichkeiten, Gaza zu erreichen: über »die Nord-Süd-Straße [...], die auf dem Gebirgskamm hinlief und [...] über Urusalim und Hebron nach Gaza« führt, oder an der »durch die Ebene Megiddo« zu erreichenden Küste entlang nach Süden (IV, 587 f.). Nachdem sie Joseph bei Dotan gefunden und gekauft haben, empfehlen die Brüder ihnen begreiflicherweise mit größtem Nachdruck den Küstenweg (IV, 614).
In Gazas »scharfriechenden Gassen« sieht man schon viele Ägypter, und Joseph »betrachtete sie genau« (IV, 699). In der Umgebung »und tief ins Land hinein, wo es nach Beerscheba ging«, wächst sehr guter Wein, von dem der alte Midianiter so viele Krüge kauft, wie zwei Kamele tragen können, und schreibt auf die Krüge »Achtmal guter Wein von Chazati« (IV, 700).
Gaza ist für die Karawane der Midianiter die »letzte Ruhestatt«, denn gleich südlich der Stadt wird »die Welt unwirtlich zum äußersten, [...] tat tieftraurige Unterwelt, greuliches Gebreite sich auf, neun Tage weit, verflucht und gefährlich, die leidige Wüste« (IV, 700). Deshalb hat es der alte Midianiter auch nicht eilig, sondern bleibt mehrere Tage in Gaza (ebd.).
Für die gefährliche Reise durch die Wüste mietet er am Torplatz in Gaza einen Führer, in dem Joseph den ›Mann auf dem Felde‹ (IV, 701 f.) und der Leser außerdem auch den Wächter des Brunnens wiedererkennt, der Ruben am leeren Brunnen Bescheid gibt (vgl. IV, 616-623).
Die Reisen der Brüder nach Ägypten führen beide Male über Gaza, wo sie ihren Reiseproviant einkaufen und sich für den Weg durch die Wüste einem Reisezug anschließen (V, 1604, 1643 f.).
Der große Leichenzug Jaakobs aber nimmt »nicht den üblichen, kürzesten Weg nach Gaza am Meer durch Philisterland und über Beerscheba nach Hebron [...], sondern verfolgte die Bodensenke, die sich südlich vom Hafen Chazati gen Osten, durch Amalek und gegen Edom zum Südende des Laugenmeeres zieht« (V, 1817).
Vgl. Karte von Kanaan. – Die Rede von einem Fürstenbund, dem Gaza vorstehe (IV, 694), bezieht sich auf die philistische Pentapolis von Asdod, Ekron, Askalun, Gath und Gaza, von dem die Bibel berichtet (vgl. Josua 13,3, Richter 3,3). – Das antike Gaza liegt unter der heutigen Stadt Gaza (Gasa, Ghazza, Aza).
Letzte Änderung: 03.10.2008 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Geb und Nut
In dem Traum, den Jaakob kurz vor seiner Hochzeit träumt (IV, 288-293), erklärt Anup ihm die ägyptische Kosmogonie: »Im Anfang, nicht ganz im Anfang, aber ziemlich im Anfang, waren Geb und Nut«, der Gott der Erde und die Himmelsgöttin, die Usir, Set, Eset und Nebthot zeugten (IV, 290). Jaakob, auch im Traum darauf erpicht, der ägyptischen Götterlehre Ungereimtheiten nachzuweisen, wendet ein, dass aus der Verbindung von Erde und Himmel keine Götter, sondern »allenfalls Helden und große Könige« entstehen könnten, und stellt im Übrigen befriedigt fest, dass Anup nur den ungefähren »Anfang«, nicht den Uranfang aller Dinge benennen kann. Doch Anup bessert nach: Geb und Nut seien die Kinder Tefnets, »der großen Mutter«, und Tefnet selbst habe der »Unentstandene, Verborgene« hervorgerufen, »des Name ist Nun« (ebd.). Jaakob ärgert sich zwar über diesen Namen (der nach seiner Überzeugung El eljon lauten muss), räumt aber ein, dass der »Hundsknabe« nun »vernünftig zu reden« anfange (ebd.).
Auf dem »Throne Gebs« sitzen die Inhaber der irdischen Königsherrschaft (IV, 292; 742).
TM stützt sich hier auf Erman (61-63, 90) und Erman/Ranke (305 f.), lässt aber die dort berichtete Variante aus, wonach der »Unentstandene, Verborgene«, der die ersten Götter erschaffen hat, der dem Urwasser entstiegene Sonnengott Rê (in Heliopolis: Atum) war (Erman, 62; Erman/Ranke 300). – Erman (90) schreibt »Keb« statt Geb.
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Gebal (Byblos)
Die phönizische Hafenstadt ist »die Buchstadt« (IV, 10), ähnlich wie Kirjath Sefer im Süden Kanaans eine »Stätte der Urkundensammlung«, wo Joseph auf Grund seiner ausgeprägten Schrift- und Sprachbegabung »als Schreibämtling hätte dienen können, wenn an die Zustimmung Jaakobs zu einer solchen Berufsübung hätte gedacht werden können« (IV, 91).
In Josephs Erzählung des Tammuz-Mythos für Benjamin, in die Elemente des Adonis-Mythos eingemischt sind, ist Tammuz ein Sohn des Königs von Gebal und seiner Tochter (IV, 454).
Aus Byblos kommt »eine gute Salbe« gegen Augenleiden, die Mai-Sachme für kranke Häftlinge der Festung Zawi-Rê bereithält (V, 1326).
Band IV: 10, 91, 407, 454. – Band V: 1326.
Vgl. Übersichtskarte. – Informationen über die Buchstädte Gebal und Kirjath-Sepher dürfte TM bei Jeremias I (245-247) gefunden haben. – Von einer in Ägypten geschätzten Augensalbe aus Byblos berichten Erman/Ranke (414).
Letzte Änderung: 03.10.2008 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Ger, Gerim
Als ›Zeltbewohner‹ ist Jaakob ein »Fremdling im Lande« Kanaan, »ein Ger, wie man sagte, ein Gast und ansehnlich Geduldeter« wie seine Vorfahren, »die ebenfalls Gerim gewesen waren«. Als »Ger und geduldeter Schutzbürger« hat er kein Recht auf Landbesitz, darf aber Ackerland pachten (IV, 396 f.).
TM folgt hier vermutlich Benzinger (288).
Letzte Änderung: 27.07.2010 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Gerar
Stadt im Philisterland, zu Abrahams und Isaaks Zeit Residenz des Königs Abimelek und Schauplatz der zweifachen Wiederholung jener ursprünglich in Ägypten spielenden Geschichte, bei der Abraham seine schöne junge Frau Sarai als seine Schwester ausgibt, um nicht um ihretwillen erschlagen zu werden (IV, 123-125; Genesis 12,10-20): In der ersten Wiederholung spielt Abimelek den Part des begehrlichen Pharao als Antagonist von Sarai und Abraham (IV, 125 f.; vgl. Genesis 20,2), in der zweiten als Antagonist von Isaak und Rebekka (IV, 126-128; Genesis 26,1-11).
Vgl. Karte von Kanaan.
Letzte Änderung: 03.05.2009 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Geschichte von Chufu und Dedi, Die
Die Geschichte von Chufu (Cheops) und dem Zauberer Dedi, »der einen abgehauenen Kopf wieder aufsetzen konnte« (V, 918), befindet sich in Peteprês Bibliothek, aus deren reichhaltigen Beständen Joseph seinen »Lesedienst« versieht.
Es handelt sich um eine der auf dem sog. Papyrus Westcar (Berlin P 3033) überlieferten Geschichten von Wundern, die Cheops sich von seinen Söhnen erzählen lässt, um dann Dedi zu sich kommen und seine Kunststücke vorführen zu lassen. TM kannte sie wohl aus der Nacherzählung bei Erman/Ranke (435 f.) und aus den in seiner Bibliothek befindlichen Sammlungen altägyptischer Erzählungen (Altägyptische Erzählungen und Märchen. Ausgewählt und übersetzt von Günther Roeder. Jena: Diederichs 1927 sowie Märchen und Geschichten der alten Ägypter. Hrsg. von Ulrich Steindorff. Berlin: Propyläen [1925], S. 21-41).
Letzte Änderung: 15.04.2015 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Gesetzgeber, Der Chammuragasch
Gihon Pison und Gihon
Gilead
Gilead nennen »die Leute« das gesamte Bergland östlich des Jordan vom Fluss Jarmuk im Norden bis fast hinab zum Toten Meer. Aber der Erzähler versteht darunter im besonderen »jene Höhen, die sich westöstlich an beiden Ufern des Jabbok erstrecken« (IV, 365).
Hier holt Laban den schwer bepackten Tross seines flüchtigen Schwiegersohns Jaakob ein, stellt ihn zur Rede, sucht nach seinen Teraphim und zieht unverrichteter Dinge wieder ab (IV, 367-376). Wenig später erringt Jaakob hier, an einer Furt des Jabbok bei Peni-el, im Kampf mit dem geheimnisvollen Fremden seinen Ehrennamen ›Israel‹ (IV, 94-96). Kurz darauf – nach Durchschreiten der Furt – findet das Wiedersehen mit Esau statt (IV, 145-151).
Die Karawane des alten Midianiters, der Joseph aus dem Brunnen ziehen lässt und nach Ägypten bringt, kommt »im Wiegetritt ihrer Kamele von Gilead herüber« gezogen (IV, 586). Von einem »Handelsfreund zu Gilead« stammt das Empfehlungsschreiben, mit dem der Alte dann später die ägyptische Grenzfeste Zel ungehindert zu passieren hofft (IV, 710, 717 f.).
Vgl. Karte von Kanaan.
Letzte Änderung: 12.06.2009 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Gilgal
Auf dem Hügel bei Beth-el befindet sich ein »heiliger Steinkreis, ein Gilgal«, in dem Jaakob nach der demütigenden Begegnung mit seinem Neffen Eliphas übernachtet und seinen großen Traum von der Himmelsleiter träumt (IV, 141-143). Der Steinkreis kennzeichnet den Ort als ein Asyl, das vor Angriffen schützt, weshalb Jaakob bedauert, nicht früher hierher gelangt zu sein, denn »dem hier Fußenden hätte Jung-Eliphas, der Straßenräuber, nichts anzuhaben vermocht« (IV, 141).
Band IV: 141, 144, 381. – Band V: 1735, 1782.
Dass es sich bei den im Alten Testament erwähnten »gilgâl« um Steinkreise handelt, hält Benzinger (41) für sehr wahrscheinlich, der auch darauf hinweist, dass das Wort volkstümlicher Etymologie zufolge (nach Josua 5,9) »Abwälzung der Schande« bedeutet (110). Mit der Deutung der Steine auf dem Hügel bei Beth-el (Genesis 28,11) als Gilgal folgt TM wohl Jeremias I (264, 319), der den Ort auch als Asyl charakterisiert (322).
Letzte Änderung: 30.04.2012 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Gilgamesch
Unter den zahlreichen Tontafeln, die Eliezer besitzt und seinem Schüler Joseph zu lesen gibt, befinden sich auch »Bruchstücke großer Versfabeln der Urzeit, die erlogen waren, doch mit so kecker Feierlichkeit in Worte gebracht, daß sie dem Geiste wirklich wurden« (IV, 408). Eine davon handelt von den »erstaunlichen Befahrnissen [...] jenes Gilgamesch, dessen Leib Götterfleisch war und dem es dennoch auf keine Weise gelang, das ewige Leben zu erwerben« (ebd.). Wie genau Joseph das Gilgamesch-Epos gelesen hat, zeigt schon die Kennerschaft, mit der er das Brautkleid seiner Mutter, die Ketônet passîm, betrachtet, in deren Stickereien zahlreiche Motive der Geschichte Gilgameschs eingearbeitet sind: Gilgamesch mit dem Löwen, die zu Tieren verwandelten »Buhlen« der Ischtar, der von ihr gesandte Himmelsstier und das Skorpion-Menschenpaar, auf das Gilgamesch bei seiner Reise zu Utnapischtim am Ende der Welt trifft (IV, 481 f.; vgl. auch IV, 297 f. und hier die Bildvorlagen zur Ketônet passîm).
Während Gilgameschs Geschichten für Joseph und seinen Erzähler musterbildende Kraft haben, kommen sie Jaakob allenfalls in seelischen Ausnahmesituationen in den Sinn, was mit ihrer Herkunft aus der von ihm perhorreszierten babylonischen Welt und ihrer Vielgötterei zu tun haben dürfte: Im Zustand der Verliebtheit unterlaufen ihm Anspielungen auf die Geschichte von Ischtar und Gilgamesch (vgl. IV, 278); auf dem Sterbelager verwechselt er Schimeon und Levi, die Rädelsführer der »Schekemer Schreckenstat« (IV, 380), mit Gilgamesch und Engidu, »die den Himmelsstier zerstückelt hatten und ob dieses Frevels von Ischtar verflucht worden waren« (V, 1795).
Joseph pflegt einen freisinnigeren Umgang mit der Überlieferung der polytheistischen Kulturen ringsum und erkennt ihre archetypischen Schemata. Gilgamesch, »zu zwei Dritteilen Gott und zu einem Mensch« (IV, 297; vgl. Ungnad, 68: 1. Tafel, v. 51), gilt ihm zunächst als ein Muster der aus »geistiger Beunruhigung« herrührenden Rastlosigkeit, das ihm als ein prägendes, »vom Ur-Wanderer [Abraham] her durch die Geschlechter vermacht[es]« Muster seiner eigenen Sippe und insbesondere seines von ›Gottessorge‹ umgetriebenen Vaters Jaakob vertraut ist. »Rastlosigkeit und Würde – das ist das Siegel des Geistes«, das er an der Stirn des Vaters erkennt und in der Klage der Königin Ninsun wiedererkennt: »Warum bestimmtest du Rastlosigkeit meinem Sohne Gilgamesch, / Gabst ihm ein Herz, das von Ruhe nicht weiß?« (IV, 49 f.; vgl. Ungnad, 76: 3. Tafel, v. 68 f.).
Gilgameschs Geschichte mit Ischtar, die Geschichte des von einer Frau »herrinnenhaft« (V, 1133) umworbenen und für seine »Sprödigkeit« bitter bestraften Mannes, ist das mythische Muster der Geschichte Josephs und Mut-em-enets. Dessen wird Joseph sich schlagartig bewusst, als er Mut-em-enets Ankündigung, sie wolle ihm ein Feierkleid schenken, unwillkürlich mit den Worten Gilgameschs zurückweist: »Mein Gewand und mein Hemd genügen mir« (V, 1132; vgl. Ungnad, 80: 6. Tafel, v. 25). Augenblicklich versteht er nun auch, warum Gilgamesch sich so spröde verhielt, denn ihm ergeht es ähnlich: »Aus Mißbehagen über deine herrinnenhaften Komplimente sprach er so und kehrte die Jungfrau heraus vor dir, indem er sich mit Keuschheit gürtete gegen dein Werben und Schenken, Ischtar im Barte!‹« (Ebd.) Mut-em-enet nimmt Rache an ihm wie Ischtar an Gilgamesch; deshalb ›kennt‹ Joseph seine Tränen: »Gilgamesch hatte sie geweint, als er Ischtars Verlangen verschmäht und sie ihm ›Weinen bereitet‹ hatte.« (V, 1296)
Mitten im Weinen aber, d.h. noch während der Reise in seine zweite »Grube«, ins Gefängnis Zawi-Rê, träumt er von Ischtars Rache und findet im Traum Gefallen an der Paradoxie ihres Handelns, daran, dass sie, bevor sie den »dörrenden Himmelsstier« auf die Erde schickt, Nahrung ansammelt, um der bevorstehenden Hungersnot zu wehren (V, 1296 f.; vgl. Ungnad, 82: 6. Tafel, v. 109-113). Was ihm »an dem Ganzen« gefällt, ist das Prinzip der »wissenden Vorsorge«, dem Ischtar hier aller Rachsucht zum Trotz folgt und dessen »Ur-Muster« Noah bzw. Utnapischtim verkörpern (V, 1297). Es ist dasselbe Prinzip, dem auch der zum »Obersten Mund« Pharaos ernannte Joseph folgen wird. Der träumerische Vorausblick des zutiefst Erniedrigten auf seine Erhöhung, nicht minder paradox als Ischtars Handeln, ist Ausdruck der innersten seelischen Verfassung des doppelt Gesegneten, einer Verfassung, deren ›Ur-Muster‹ er ebenfalls in Gilgamesch erblickt: das Muster des »Weh-Froh-Menschen« (IV, 1307). Der ›Weh-Froh-Mensch‹ ist »begünstigt und geschlagen zugleich«, das ist seine »Schicksalsmischung«, die »Gilgameschmischung« (V, 990). Sie bringt ein Zugleich von Trauer und Zuversicht hervor, wie es Josephs eigentümlich gemischte Stimmung auf der Fahrt nach Zawi-Rê kennzeichnet.
TM stützte sich wohl in erster Linie auf die Übersetzung des Gilgamesch-Epos von Ungnad (Ungnad, 66-118), die sich in seiner Bibliothek befand. Allerdings zeigen die wörtlichen Zitate (IV, 49; V, 1132 u.a.) Abweichungen von Ungnads Fassung, was vermuten lässt, dass er weitere Übersetzungen benutzt hat. Auch fehlt bei Ungnad die Fügung »Weh-Froh-Mensch«, die in anderen frühen Übersetzungen auftaucht. Dazu und zu weiteren Aspekten der Bezeichnung ›Weh-Froh-Mensch‹, insbesondere zu ihrem Zusammenhang mit dem Konzept des doppelten Segens vgl. Weh-Froh-Mensch.
Abb.: (1) Tafel VI des Gilgamesch-Epos. – (2) Gilgamesch überwindet einen Löwen.
Letzte Änderung: 31.03.2015 | Seitenanfang | Zurück
Glutbauch Chun-Anup
Gog Magog
Gomorra Sodom und Gomorra
Goren Atad
Der »gewaltige Zug«, der Jaakobs Leichnam aus Ägypten nach Kanaan zur Grabstätte Machpelach bei Hebron geleitet und dabei einen großen Umweg über das Ostjordanland wählt (V, 1817 f.), macht in der Nähe des Jordan auf einem Anger bei dem Marktflecken Goren Atad Halt für eine siebentägige Totenklage. Seither nennen die Leute der Gegend den Ort »›Abel-Mizraim‹ oder ›Klagewiese Ägyptens‹« (V, 1818).
Vgl. Genesis 50,10-11.
Letzte Änderung: 03.06.2018 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Goschen, Gosem Gosen
Gosen (Goschen, Gosem, Kosen, Kesem)
Die Landschaft Gosen, in der Joseph seinen Vater und seine Brüder ansiedelt, gehört zum Gau Arabia, »dem zwanzigsten des Landes Uto's, der Schlange, nämlich Unterägyptens« (IV, 720). Sein Hauptort ist Per-Sopd (IV, 721). Das »von Gräben und Deichen durchzogene Marschenland« (IV, 720) ist fettes Weideland. Hierher werden jahreszeitenweise Herden aus Oberägypten geschickt, »damit sie des Krauts der guten Wiesen genössen« (IV, 721).
Gosen ist der erste Landstrich, den Joseph nach Passieren der Feste Zel von Ägypten zu Gesicht bekommt. Er »fand nicht, daß die Gefahr, vor den andringenden Wundern Mizraims den Kopf zu verlieren und unförderlicher Blödigkeit zu verfallen, vorläufig sehr drohend sei«, denn die Gegend hat nichts »Großes und Merkwürdiges« und unterscheidet sich nicht sehr von seiner Heimat: »Unter den Fächern von Dum-Palmen spiegelten Dörfer sich mit den Lehmkegeln ihrer Vorratshäuser in grünlichen Ententeichen – nicht anders zu sehen als Dörfer der Heimat und gerade kein Augenlohn für eine Reise von mehr als sieben und siebzehn Tagen« (IV, 720 f.).
Beim Anblick der fetten Weidegründe schlagen seine Gedanken eine »luftige Brücke« zu seiner Familie: Der mit seinem Himmelstraum verbundene Gedanke des »Nachkommenlassens« kommt ihm erstmals wieder in den Sinn. Die Gegend scheint ihm dafür gut geeignet, besonders mit Rücksicht auf Jaakobs schwere Vorbehalte gegen das ›Land des Schlammes‹, weil »dies friedlich ursprüngliche Weideland hier zwar schon Ägyptenland [...], aber noch nicht das rechte in voller Anstößigkeit« ist (IV, 722).
Als es dann soweit ist, erwirkt er von Echnatôn die Erlaubnis, dass seine Sippe in Gosen, »wo's noch nicht allzu ägyptisch ist« (V, 1748), leben darf, und bringt ihn auf den Gedanken, einige seiner Brüder, nämlich Ruben, Juda, Naphtali, Gad und Benjamin, zu Hirten über die königlichen Herden zu berufen (V, 1751).
Vgl. Karte von Ägypten. – Wysling (218 f.) nimmt an, dass die hier reproduzierte Fotografie aus dem Nildelta in Kaufmann (Abb. 20) bei der Beschreibung des Landes Pate gestanden haben. – Abb.: Dorf im Nildelta.
Letzte Änderung: 03.08.2013 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Gottesbaum Tamariske und Terebinthe
Gottliebchen (Se'ench-Wen-nofre-Neteruhotpe-em-per-Amun; Bes-em-Heb; Schepses-Bes)
Gottliebchen ist neben Dûdu der zweite der beiden »Kleinwüchsigen« in Potiphars Hauswesen. Sein voller Name lautet Se' ench-W en-nofre-Neteruhotpe-em-per-Amun. Das bedeutet: »›Es erhalte das gütige Wesen‹ (nämlich Osiris) ›den Götterliebling‹ (oder den Gottlieb) ›im Hause des Amun am Leben‹« (IV, 789), weshalb Joseph und der Erzähler ihn meistens Gottliebchen nennen. Peteprês Dienerschaft allerdings hält allerlei Spottnamen für den Kleinen bereit. Sie nennt ihn »Wesir«, »Schepses-Bes« oder »Bes-em-Heb«. Der Name Bes ist der »Name eines vom Auslande eingeführten komischen Zwerggottes«, und »Schepses-Bes« heißt »›herrlicher Bes‹, ›Pracht-Bes‹«, während »Bes-em-Heb« soviel wie ›Bes im Feste‹ bedeutet, »womit man auf die ewige Gala des Männchens anspielte« (IV, 786). Denn Gottliebchen ist mit einer »Art von Festtracht« bekleidet, die aber, weil er sie täglich trägt, »zerknittert und unfrisch« ist, dazu trägt er »goldene Spiralringe« um die »embryonischen Handgelenke« und auf dem Kopf »einen Salbkegel, der aber nicht wirklich aus schmelzendem Duftfett, sondern nur aus einem mit Wohlgeruch getränkten Filzzylinder bestand« (IV, 785 f.). Sein Gesicht ist »kindlich-greis, kleinfaltig, verhutzelt und alraunenhaft« (IV, 786) und seine ›dünne und scharfe‹ Stimme (IV, 785) erinnert an die einer Grille (IV, 786, 799, 804 u.ö.).
Bei der Ankunft der midianitischen Karawane auf dem Hof von Potiphars Anwesen kommt er, eine zahme Meerkatze auf der Schulter und voller Sorge, etwas zu versäumen, auf seinen kurzen Beinchen herbeigerannt (IV, 785). Als er seines »Schicksalsgenossen und Bruders im Untermaß«, Dûdus, ansichtig wird (IV, 786), der vor ihm zur Stelle ist, gerät er sogleich in einen Zank mit ihm, und das umstehende »Hofvolk lachte laut über die zankenden Männlein, deren wechselseitige Abneigung ihnen allen eine vertraute Quelle der Lustbarkeit zu sein schien, und trieb sie mit Dreinrufen recht zum Keifen an« (IV, 788). Auch an Joseph scheiden sich die Geister der beiden Zwerge: Während Dûdu sich vom ersten Moment an als Josephs Widersacher erweist, unterbricht Gottliebchen bei seinem Anblick sofort sein Gezeter und »und betrachtete ihn unverwandt, indes sein ältliches HeinzeIgesicht, das eben noch voll kleinen Ärgers gewesen, sich glättete und einen Ausdruck selbstvergessenen Forschens gewann«, selbst seine Meerkatze starrt mit »grell aufgerissenen Augen« in das »Gesicht des Abramsenkels« (IV, 788 f.). Er drängt den Hausmeier Mont-kaw zum Kauf des »Sandknaben« (IV, 804).
»Gottlieb, das Närrchen, war gut und offenbar beseelt und bestellt, ihm zu helfen«: Davon ist Joseph schon am Tag seiner Ankunft in Potiphars Haus überzeugt (IV, 811). Der Eindruck trügt nicht, denn der »Spottwesir« (IV, 815 u.ö.) ist von Anfang an überzeugt, dass mit Joseph »ein Gott ist, stärker als Amun und klüger als er«, von dem er »nimmermehr« glaubt, dass er den Gesegneten in Amuns »Hände geben und Dem in der Kapelle erlauben wird«, Josephs »Wachstum ein Ziel zu setzen, das nicht er ihm gesetzt« (V, 958). Deshalb versorgt er Joseph nicht nur mit besonderen Leckerbissen aus dem Frauenhaus (IV, 840), sondern befördert seinen Aufstieg in Peteprês Hauswesen mit derselben Beharrlichkeit, mit der sein Widersacher Dûdu ihn zu verhindern trachtet. Er verwendet sich für Joseph bei Mont-kaw (IV, 837), besorgt ihm zuerst den Posten als »Stummer Diener« bei Potiphars greisen Eltern Huij und Tuij (IV, 846), dann den als Gärtner in Potiphars Gärten (IV, 879 f.), der »Josephs Wunsch, vor dem Herrn zu stehen«, die »besten Glücksaussichten« verschafft (IV, 880), und als der sich wenig später tatsächlich erfüllt und Josephs erste Begegnung mit Potiphar überaus vielversprechend verläuft (IV, 883 ff.), ist »Gottliebchen, das Alräunchen, knittrig entzückt über seines Schützlings Erfolg, geschwellt von Genugtuung darüber, wie dieser den Augenblick zu nutzen verstand« (IV, 894).
Vor allem aber beobachtet Gottliebchen Dûdus Intrigen gegen Joseph und bespitzelt dessen Gespräche mit Mut-em-enet, denn er ist »dank seiner Winzigkeit zum Spähen und Horchen außerordentlich geschickt, zur heimlichen Gegenwart wie geschaffen, dort, wo es etwas zu lauschen gab, und Herr von Verstecken, die als solche auch nur in Betracht zu ziehen den Ausgewachsenen nicht einmal in den Sinn kam« (V, 944). So erfährt Joseph »brühwarm und haarklein« von jedem Schritt, den Dûdu gegen ihn unternimmt (ebd.). Früher als alle anderen Beteiligten erkennt Gottliebchen die Gefahr, dass Dûdus böse Absichten wider Willen in ihr Gegenteil umschlagen, nämlich Mut-em-enets Interesse an Joseph wecken und so am Ende weit verderblichere Folgen für seinen Schützling haben könnten, als sein Widersacher sie im Sinn hat. Auch durchschaut er schnell die Koketterie, mit der Joseph die Nachrichten von Muts wachsender Neigung aufnimmt, was seine Befürchtungen nur steigert. Aber der Ertappte wehrt die »Sorgenweisheit« seines kleinen Freundes barsch ab (V, 953). Über Josephs erstes Stelldichein mit Mut-em-enet kann das »Hutzelchen« sich denn auch nicht freuen, sondern bricht vor Sorgen gar in Tränen aus (vgl. 1079-1085). Er fleht ihn »beinahe täglich mit gerungenen Händchen an, […] den Atem des alles verheerenden Feuerstiers zu fliehen«, doch umsonst, »sein vollwüchsiger Freund, der Jungmeier, wußte es besser« (V, 1108). Als der schließlich die Quittung für seinen Hochmut bekommt, weint Gottliebchen um Joseph, dass sich sein »Näschen im Knitterantlitz zinnoberfarben« verfärbt, tut aber einen Freudensprung, als Peteprê ihm die Posten des ebenfalls bestraften Dûdu überträgt (V, 1264).
Nach Erman/Ranke gehörten Zwerge »zu den Belustigungen der Vornehmen« (292); aus der Zeit der 18. Dynastie kenne man ein Paar Zwerge, »die, wie es scheint, im Scherz mit dem Titel ›Wesir‹ angeredet wurden (293). – Die auffallende Ähnlichkeit der beiden Zwerge mit Alberich und Mime aus Wagners »Ring des Nibelungen« ist kein Zufall, sie findet ihre Bestätigung in einer Bemerkung TMs in einem Brief an Jonas Lesser vom 21.3.1946: Die Zankszene zwischen Dûdu und Gottliebchen gehöre »in den Zusammenhang Ihres [Lessers] Vergleiches des Joseph mit dem ›Ring des Nibelungen‹, denn sie erinnert ja entschieden an das zankende Zusammentreffen von Mime und Alberich« (Selbstkommentare, 299). – Der Gott Bes, auf den die Spottnamen anspielen, zählt nach Erman/Ranke zu den »niederen Göttern, die beim Volke sich besonderer Beliebtheit erfreuten« (311); der »aus der Fremde stammende kleine Gott« habe »das Schlafzimmer und was zu ihm gehört unter seiner Verwaltung« und gelte »noch in ganz später Zeit als Liebesgott« (511).
Abb.: Kalksteinstatue des Bes (Louvre).
Letzte Änderung: 25.02.2015 | Seitenanfang | Zurück
Granatbaum (Granatapfelbaum)
Von Granatapfelbäumen ist an allen Schauplätzen des Romans die Rede, sie wachsen in Labans Reich (IV, 260) ebenso wie in Kanaan (IV, 397), und auch Peteprês Garten in Theben birgt neben Dornakazien, Dum- und Dattelpalmen, Sykomoren, Feigen- und Perseabäumen auch zahlreiche Granatbäume (IV, 779, 852). »Granatapfelblut« hält Joseph als ›stummer Diener‹ für Peteprês greise Eltern in einem goldenen Kännchen bereit (IV, 850).
Die Frage, wie weit die Statue der Baketatôn einen Granatapfel zum Munde führen soll, ist Gegenstand eines Wortwechsels Echnatôns und seiner Mutter Teje mit dem königlichen Oberbildhauer Auta (s. dort).
Blüten und Früchte des Baums sind im Roman vor allem erotische Motive: Der verliebte Sichem vergleicht Jaakobs Tochter Dina mit einer Granatapfelblüte (IV, 176), was ihr Bruder Dan »sehr richtig« findet (IV, 178), und der betrogene Jaakob in seiner dunklen Hochzeitskammer nennt die vermeintliche Rahel seinen »Granatapfel«, nach dem er durstig sei (IV, 306).
Auch in Mut-em-enets höchst symbolischem Traum spielt ein Granatapfel eine Rolle: Beim Zerteilen der Frucht mit einem scharfen Bronzemesserchen gleitet ihr das Messer »aus Zerstreutheit« aus und fährt ihr recht tief in die Hand. Die starke Blutung, »von Rubinröte wie der Saft des Granatapfels«, bereitet ihr »Scham und Kummer« (V, 1023). Joseph stillt sie (V, 1025).
Über Verbreitung und Verwendung des Granatbaums fand TM Material bei Meissner (I, 207, 208, 211) und Erman/Ranke (209), Hinweise zur erotischen Metaphorik als ›Liebesapfel‹ bei Jeremias I (674, 317).
Abb: Granatbaum (Punica granatum) aus: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage 1905-1909, Band 20 (Tafel ›Zimmerpflanzen I‹). Bildquelle: Zeno.org
Letzte Änderung: 19.09.2010 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Grüne, Das Große
Das »Große Grüne« ist das Mittelmeer. Josephs Bruder Sebulun träumt davon, am Meer zu leben: »Am Großen Grünen sollte man wohnen und an Sidon grenzen und die Welle befahren, statt der Lämmer zu warten, – das lacht mir weniger« (IV, 450).
Männer von Sidon waren einst, wie Joseph von Eliezer lernt, »jeder Furcht bar« bis nach Kittim (Sizilien) und sogar bis nach Tarsis gelangt, »indem sie das Große Grüne in unendlich vielen Tagen der Länge nach durchschifft hatten« (IV, 406).
Letzte Änderung: 19.02.2011 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Grünkraut
In Kanaan und besonders in Babylonien gebräuchliche Sammelbezeichnung für Kohl und Gemüse. Jaakob beendet sein »Blutmärlein von den jungen Räubern« (IV, 226), mit dessen Erzählung er sich und sein Kamel auf der Reise nach Charran mühsam durchbringt (IV, 218-220), mit der Bemerkung, dass »in seinem Bauche das Grünkraut zuwenig geworden sei«, um anzudeuten, dass er Hunger habe (IV, 220). – Seinem Onkel Laban soll er nach dessen Willen »um Obdach und Grünkraut und um nichts mehr« dienen (IV, 243). – In den Klageliedern um den vom Eber zerrissenen Tammuz wird der schöne Jüngling als »Grünkraut, das im Garten kein Wasser getrunken«, besungen (IV, 450, vgl. auch 637).
Die Schlusswendung von Jaakobs Räubergeschichte ist nach Meissner (Band I, 413) eine stehende babylonische Redewendung: »Um auszudrücken, daß die Menschen wenig zu essen hatten, sagte man: ›In ihrem Bauche wurde das Grünkraut zu wenig‹«.
Letzte Änderung: 08.11.2009 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Gummiesser Kusch