Lexikon zu »Joseph und seine Brüder« (1933-43)
Abgeschlossene Einträge: 490 | Letzte Änderung: 21.07.2018
Sabbat Schapattu
Sachmet
Die kriegerische Göttin Sachmet, »Mächtige« oder »Grimmige« genannt, ist die Gattin des Gottes Ptach und Mutter des Nefertêm, der eine Lotusblume auf dem Kopf trägt. An den Wänden des Ptach-Tempels in Menfe ist Sachmet mit einem Löwenkopf dargestellt (IV, 749).
Die meistens Sachmet zugeschriebene ›alte Geschichte‹, wonach die Göttin auf Geheiß des Rê »unter den Menschen gewütet hatte, sie zu vernichten und an der völligen Austilgung unseres Geschlechtes nur dadurch gehindert worden war, daß Rê sie durch eine sehr schöne List betrunken machte mit gerötetem Blutbier«, wird im Roman Hathor zugeschrieben (V, 967).
Die Zuschreibung der Geschichte stützt sich auf Erman/Ranke (304-305). – Vgl. die Abbildung der Dreiheit von Memphis (vom Papyrus Harris) bei Menfe.
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Sange
Die Eltern Thamars schicken die Tochter »zu Jaakob mit Sangen und frischen Käsen, auch Linsen und Grütze, die er mit Kupfer gekauft hatte« (V, 1550).
Die Sange ist nach Grimms Wörterbuch ein veralteter Begriff für ›Ährenbüschel‹, ›eine Handvoll Ähren‹. Der auch von Luther verwendete Begriff wurde später meist durch die Fügung »geröstete Körner« ersetzt (z. B. Rut 2,14).
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Sarai (Sara, Sahar)
Der »Urmutter« Sara, Abrahams Frau, wird des öfteren gedacht, insbesondere ihrer späten Fruchtbarkeit, die der schon sehr Betagten, der es längst »nicht mehr nach der Weiber Art« ging, »gelächtervollerweise« einen Sohn bescherte, Isaak (IV, 121). Jaakob, der Freund »weitausgreifender Ideenverbindung« (IV, 158 f.), sieht in Rahels später Schwangerschaft eine Wiederkehr dieser Geschichte und nennt Rahel andachtsvoll »mit Urmutters Namen« (IV, 334).
Besonderen Eindruck macht dem Erzähler die Geschichte von der Verleugnung Saras durch Abraham in Ägypten (Genesis 12, 10-20), die sich später in Gerar im Philisterland noch einmal und fast identisch wiederholt hatte (Genesis 20) und dann sogar noch ein drittes Mal, mit Isaak, Rebekka und König Abimelek als Protagonisten, erzählt wird (Genesis 26): Abraham gab seine schöne junge Frau aus Furcht, um ihretwillen erschlagen zu werden, als seine Schwester aus; der Pharao, mutmaßlich Amenemhet, ließ sie in seinen Harem bringen und ihren ›Bruder‹ mit großen Mengen von »Schafen, Rindern, Eseln, Sklaven und Sklavinnen, Eselinnen und Kamelen« entschädigen, wurde aber von Gott »mit Ohnmacht geschlagen«, woraufhin er Abraham, der ihm nun die Wahrheit bekannte, seine Frau ›unversehrt‹ zurückgab und nochmals mit Gütern überhäufte (IV, 123-127). Der Erzähler möchte den Fall lieber für einen »gelungenen Hirtenstreich« halten, nämlich annehmen, dass Abraham von vornherein sicher war, dass Sara kein Übel widerfahren würde, weil »unter diesem Aspekt« sein fragwürdiges Verhalten »erst in das rechte Licht, und zwar ein sehr geistreiches gerückt« werde (IV, 125). Was Sara von alledem hielt, erzählt er nicht. Dass sie sich auf Abrahams Geheiß als seine Schwester ausgab, sei nicht »geradehin« gelogen, da sie eine Schwester Lots gewesen sei (IV, 124).
Saras Verhältnis zu Hagar, der Nebenfrau, war »zänkisch«; schon einmal hatte Hagar mit ihrem Sprössling Ismael vor Saras Eifersucht fliehen müssen, und nach der späten Geburt Isaaks betrieb Sara »alle Tage die Austreibung der Ägypterin und ihrer Frucht«, weil die Erbfolge zwischen Ismael und Isaak ungeklärt war (IV, 193).
Saras Name wird unterschiedlich gedeutet: Joseph nennt die »Urmutter« Sahar, »das ist der Mond« (IV, 103, 116). Eliezer dagegen nennt sie »›Tochter des Entmannten‹ und ›Himmelshöchste‹« und will wissen, dass sie einen Speer getragen habe, was zu ihrem ursprünglichen Namen, Sarai, passe, denn das bedeute ›HeIdin‹. Sie sei »erst von Gott zur Sara, also zur bloßen ›Herrin‹ gedämpft und herabgesetzt worden« (vgl. Genesis 17,15), und das habe damit zu tun, »daß die Sphäre rollte« (IV, 437). Joseph übersetzt den Namen seiner Stammmutter vor Pharao mit »Heldin und Königin« (V, 1477), und auch der sterbende Jaakob spricht von Sara als der »Heldin und Himmelshöchsten« (V, 1778).
Die Apostrophierung Saras als »Tochter des Entmannten« und »Himmelshöchste« dürfte auf Braun (I, 275 f.) zurückgehen, der Abraham als »Kronosform« und entsprechend Sara als Rhea, Tochter des Uranos, deutet, den ihr Bruder und Gatte Kronos entmannt. Braun verweist hier u. a. auf die von den Sabiern in Harran verehrte Göttin Sarah, die auch Semiramis heiße, »wörtlich die ›Himmelshöchste‹«, und schlussfolgert: »Aus ihr, der kriegerischen Göttin, erklärt sich der frühere Name von Abraham's Gemalin: Sarai, ›Heldin‹, ein Name, der durch Jehova, d. h. durch die im Sinn des Monotheismus geschehene Redaktion, in Sara, ›Herrin‹, verändert wird« (Braun I, 276).
Bei Jeremias fand TM Hinweise, die den Namen mit dem Mond in Zusammenhang bringen: Šarratu, die babylonische Namensform von Sarah, sei »Epitheton der Mondgöttin von Harran« und bedeute soviel wie »große Herrin«. Möglich sei auch ein Zusammenhang mit der »großen Göttin (Ištar von Niniveh?)«, die oft »šarrat šamê ›Königin des Himmels‹« genannt werde. Die Namensform »Sarai« betreffend, hält Jeremias es für möglich, dass sie mit dem hebräischen Wort für ›streiten‹ zusammenhängt und vielleicht »die Widerspenstige« bedeutet (Jeremias I, 259).
Die für Abraham so günstige Interpretation der Geschichte von Saras Verleugnung als geistreichen »Hirtenstreichs« scheint ganz aufs Konto des Autors zu gehen. Jeremias etwa, der zu Abrahams Motiven auch Habsucht zählt (I, 310; vgl. auch 312, Anm. 4) und die Geschichte »als wirkliche Begebenheit verstanden weder religiös noch moralisch erfreulich« findet (I, 311), bevorzugt eine »mythologische Erklärungsmethode«, mit deren Hilfe er sie als Abwandlung des Ischtar-Tammuz-Mythos deutet (vgl. I, 312).
Saras Bezeichnung als »Schwester Lots« (IV, 124) stützt sich wohl auf die »Sagen der Juden«, in denen sie an einer Stelle »Tochter Harans« genannt wird (Gorion II, 46).
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Saturn Ninurtu
Schalim
Westsemitische Sonnengottheit, der Urusalim seinen Namen verdankt (IV, 384). Auf der Flucht von Schekem nach Hebron zum Hain Mamre hätte Jaakob »nicht übel Lust gehabt, in Jebus einzukehren, um sich mit den Priestern über die im Westen des Landes beheimatete Sonnengottheit Schalim zu unterhalten, nach der die Stadt ihren zweiten Namen hatte«, aber die »Geschichten von Schekem« und die Furcht vor Verfolgung lassen ihn davon absehen (ebd.).
Die Rückführung des Ortsnamens Urusalim (Jerusalem) auf die Sonnen- oder Gestirnsgottheit Schalim (Šalim) fand TM bei Jeremias I (252).
Letzte Änderung: 30.04.2012 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Schamasch
Schamasch ist der babylonische Sonnengott, als dessen ›Günstlinge‹ die babylonischen Könige formelhaft bezeichnet werden (IV, 343) und der auch beim einfachen Volk (wie z. B. bei Labans Hirten Schamasch-Lamassi) als Namenspatron fungiert (IV, 224). – Nach der Überlieferung der Jaakobsleute wurde Schamasch unter der Regierung des großen ›Gesetzgebers‹ Chammuragasch (Hammurapi) mit dem höchsten Landesgott Mardug verbunden und zu dem alles beherrschenden »Sonnenprinzip, Schamasch-Bel-Mardug« erhoben, dem alle anderen Gottheiten nachgeordnet waren (IV, 426). Das war dem »Mondmann« Abraham ein Dorn im Auge und vermutlich der Grund für seine Wanderungen von Ur über Charran nach Kanaan: »Wahrscheinlich war es der erste Anlaß seines Verdrusses und Wandertriebes gewesen, daß seine Liebe zum Monde, der Gottheit von Uru und Charran, gekränkt worden war durch übertriebene Staatsehren, die dem Sonnenprinzip, Schamasch-Bel-Mardug, durch Nimrod von Babel zum Schaden Sins, des Sternenhirten, waren erwiesen worden« (IV, 426, vgl. auch 102).
Als Abraham Gott entdeckte (IV, 425-435), erkannte er, dass Mond und Sonne nur Zeugnisse Gottes, aber nicht Gott selbst sind. Joseph weiß, wie es zuging und was Abraham dabei dachte und sagte: »›Gewaltig bist du‹, sprach er zu Schamasch-Maruduk-Baal, ›und ungeheuer ist deine Segens- und Fluchgewalt. Doch etwas ist in mir Wurm, das dich übersteigt und das mich warnt, das Zeugnis für das zu nehmen, wovon es zeugt.‹« (V, 1464)
Joseph wurde geboren »um Mittag, da Schamasch im Scheitel stand und im Zeichen der Zwillinge und im Osten heraufkam das Zeichen der Jungfrau« (IV, 108). Die »Geburtssonne im Zenit« ist Zeichen des väterlichen Teils des doppelten Segens, der auf Joseph ruht. Den mütterlichen Teil repräsentieren Mond und Venus, Sin und Ischtar (IV, 109 f.). Zwischen beiden vermittelt Nabu, der Gott der Schreibkunst, als »Geschäftsträger und Unterhändler [...] zwischen Vatererbe und Muttererbe«, zwischen »Sonnengewalt und Mondesgewalt«, zwischen »Tagessegen« und »Segen der Nacht« (IV, 110).
Über das sumerisch-babylonische Pantheon orientierte TM sich vornehmlich bei Meissner (II, 4-51) und Jeremias II (348-391). – Abb.: Schamasch auf einer Kalksteintafel (860-850 v. Chr.) aus Sippar. – Einen eindrucksvollen Torso einer altbabylonischen, mutmaßlich Schamasch darstellenden Statue hat das British Museum.
Letzte Änderung: 10.08.2013 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Schapattu
So nennt Joseph im Gespräch mit dem Vater Jaakob am Brunnen den Tag des Vollmonds. Der »Tag des festlichen Vollendens, der Tag der Schönheit« ist für ihn gleichbedeutend mit dem hebräischen ›Sabbat‹ (IV, 100).
Jaakobs Hochzeitsfest beginnt nach Labans Willen an einem Sabbat (IV, 294), einem »Tag der vollen Schönheit« (IV, 296).
Das Wort Schapattu (šabattu) ist, wie TM bei Jeremias II (168) gelesen haben dürfte, babylonischen Ursprungs, es bezeichnet im babylonischen Kalender den 15. Tag des Mondmonats, den Tag des Vollmonds, und bedeutet ›Ruhetag‹. Jeremias führt die hebräische Bezeichnung ›Sabbat‹ direkt auf dieses Wort zurück (ebd.).
Letzte Änderung: 30.04.2012 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Scharuk-inu
Bei seinem ersten Gespräch mit Peteprê im Palmengarten unterstreicht Joseph seine Liebe zum Gärtnerberuf (und seine Bildung) mit der Aufzählung von »Erwählten«, die ihn »in der Vorzeit« ausgeübt hätten, darunter auch Scharuk-inu, der als Kind in einem Schilfkorb ausgesetzt wurde, »aber der Strom trug ihn zu Akki, dem Wasserschöpfer, der lehrte den Knaben die feine Kunst des Gartens« (IV, 886). Später gab Ischtar ihm »ihre Liebe und gab ihm das Reich« (ebd.).
Scharuk-inu (Šarru-kīnu) ist der sagenumwobene Sargon von Akkad (23 oder 24. Jh. v. Chr.), dessen Legende Joseph hier erzählt. TM kannte die Geschichte, »die auffallend an die Aussetzung Moses in Ägypten anklingt« (Bezold, 132), aus Meissner I (200), Jeremias I (353 f.) und Bezold (31 f.).
Letzte Änderung: 02.07.2018 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Schefela Sephela
Schejakim
Einer der sieben Himmel, die Joseph in seinem Himmelstraum (IV, 459-468) in den Fängen des Adlers und Engels Amphiel durchfliegt. Es ist der »Wolkenhimmel«, weshalb die Fittiche des Adlers vor Nässe triefen. Auf den »feuchten Eilanden« stehen vereinzelt schon Engel, die, die Hand über den Augen, nach dem Reisenden schauen, »und Tiere lagerten auf den Kissen, die sah ich die Nasen heben und schnuppern in den Wind unseres Aufstiegs« (IV, 462).
Die jüdische Lehre von den sieben Himmeln, wonach Schejakim (richtig: Schechakim) der dritte Himmel ist, fand TM bei Gorion I (38 ff.); vgl. auch den hier verfügbaren Auszug. – TM vertauscht die Reihenfolge zwischen dem zweiten und dritten Himmel, lässt Joseph zuerst durch Schechakim und erst danach durch Rakia, den Sternenhimmel, fliegen, der nach der Lehre der zweite Himmel ist. Vgl. auch die übrigen namentlich erwähnten Himmel Sebul und Araboth. – Josephs Traum ist Wiederholung der Geschichte von Henochs Entrückung und Erhöhung, die in den apokryphen Henoch-Schriften erzählt wird. TM kannte sie aus Gorion I (293-308); vgl. auch den hier verfügbaren Auszug.
Letzte Änderung: 21.03.2010 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Schekel (Sekel)
Die Brüder verkaufen Joseph für zwanzig Schekel Silbers an die Midianiter (IV, 612), nachdem Juda zunächst ›dreißig Silberlinge‹ verlangt hatte (IV, 611). Es ist derselbe Preis, für den auch Labans Sklave Abdcheba, der »Zwanzig-Schekel-Mann«, einst von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde (IV, 237). – Jaakob kauft von Hemor, dem Stadtfürsten von Schekem, zwölfeinhalb Morgen Saatland für hundert Schekel Silbers (IV, 162 f.). – Das Erbbegräbnis Machpelach, die »zwiefache Höhle«, hatte Abraham einst für vierhundert Schekel Silbers von Ephron, dem Hethiter, erworben (V, 1723).
Nach Meissner (I, 357), dem TM hier wohl folgt, ist der Schekel eine ursprünglich babylonische Gewichtseinheit. Ihr Grundmaß ist das Getreidekorn: Ein Schekel entspricht 180 Getreidekörnern (ca. 8,4 g). 60 Schekel ergeben eine Mine (ca. 500 Gramm), und 60 Minen bilden ein Talent (ca. 3000 g). Diese Einheiten haben sich »vom Zweistromlande aus weit verbreitet und die antike Welt bis nach Griechenland erobert« (ebd.).
Letzte Änderung: 14.11.2009 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Schekem (Sichem, Sekmem)
Die »Burgstadt und Verehrungsstätte im Tale«, die man »Sichem, Schekem, ›der Nacken‹, auch wohl Mabartha oder Pass« nennt (IV, 71), weil sie zwischen zwei Bergen, Garizim und Ebal, liegt, ist ein wichtiger Schauplatz in den ersten beiden Teilen des Romans, besonders in den »Geschichten Jaakobs«. Hier, vor den Toren der Stadt, schlägt Jaakob nach seiner Flucht aus Naharina, nach dem Gotteskampf am Jabbok bei Peni-el und dem glimpflich überstandenen Wiedersehen mit Esau für vier Jahre sein Lager auf (IV, 154). Er schließt mit Hemor, dem Stadtfürsten, einen Vertrag über Ansiedelungs- und Weiderechte (IV, 160-163) und kauft von ihm Saatland für 100 Schekel Silbers (IV, 162 f.). Joseph verbringt hier »mehrere Knabenjahre« (IV, 535) und macht – wie später auch in Beth-Lachem und im »Adonishain« bei Hebron (IV, 446-454) – Bekanntschaft mit dem Tammuz-Fest, denn in Sichem betet man »eine Form des syrischen Schäfers und schönen Herrn« an (IV, 71).
Dann freilich, nach vier Jahren friedlicher Siedelung (IV, 164-166), ereignet sich die »Geschichte Dina's« (IV, 152-184), die Liebes- und Entführungsgeschichte um Jaakobs Tochter Dina und Hemors Sohn Sichem, die die älteren Jaakobssöhne zum Anlass nehmen für ihre »Schekemer Schreckenstat« (IV, 380), bei der sie die Einwohner niedermetzeln und die Stadt ausplündern. Danach muss Jaakob mit seinem großen Tross weiterziehen, vier Tagereisen (IV, 470) gegen Süden nach Hebron zum Hain Mamre, wo er dann dauerhaft sein Familienlager errichtet.
Später, als seine Herden so zunehmen, dass die Weidegründe bei Hebron nicht mehr ausreichen (IV, 398), kann er mit den Schekemern wieder Frieden schließen und den vormals geschlossenen Vertrag über Weiderechte erneuern (IV, 72). Wie er das fertigbringt, wird nicht erzählt. Vielleicht hat es mit dem ›Ortsgeist‹ zu tun, der »wenig mannhaft, vielmehr händlerisch, bequem und friedlich« ist (IV, 155). So kommt es, »daß immer ein Teil von Jaakobs Vieh auf den Triften Schekems sich nährte und ein Teil seiner Söhne und Hirten um jener Herden willen seinem Angesicht fernblieb« (ebd.). Es sind meistens die Lea-Söhne, die vor Schekem das Vieh hüten (IV, 398). Einige Jahre später, auf seiner schicksalhaften Reise zu den Brüdern, trifft Joseph hier den Mann auf dem Felde, der ihn zu den Brüdern ins Tal von Dotan geleitet (IV, 537-547).
Die Gegend um Schekem ist ein Land »von mäßiger Gebirgigkeit und fruchtbar blumigen, von Quellen durchrauschten Tälern, wo Gerste wild wuchs«, und die Stadt selbst ist »eine behäbige Siedlung, beschattet vom Felsen Garizim, jahrhundertealt, mit einer dicken, aus unverbundenen Steinblöcken errichteten Ringmauer, die eine Untere Stadt im Südosten und eine Obere im Nordwesten umschloß« (IV, 154).
Jaakobs Ansiedelung in Schekem nach der Rückkehr aus Mesopotamien ist aber nicht nur dem praktischen Nutzen der fruchtbaren Landschaft, sondern auch einer seiner »weitausgreifende[n] Ideenverbindungen« (IV, 158 f.) geschuldet. Denn in seinem »feierlichen Sinnen« versteht er die zurückliegenden 25 Jahre seines Lebens als ein »Gleichnis des Kreislaufs«, als »eine höchst glückliche Ausfüllung des wachstumsmythischen Schemas«, dem folgend er seine Reise nach Mesopotamien als Höllenfahrt und seine Rückkehr nach Kanaan als Aufstieg aus der Unterwelt »mit seiner befreiten Ischtar, der süßäugigen Rahel« deutet. Die frühlingshaft geschmückte Flur bei Sichem gilt ihm darum »als Frühlingspunkt und Kreislaufstation neuen Lebens« (IV, 159).
Hinzu kommen von Abraham ererbte geistliche Sympathien mit den Leuten von Schekem. Denn die beten zwar eine Abart des Tammuz an, was in Jaakobs Augen eigentlich Baalsdienst ist, aber dieser Gott hatte bei ihnen schon früh, »zu Zeiten Abrahams bereits und des Priesterkönigs von Sichem, Malkisedek«, ein »besonderes Gedankengepräge angenommen«, das ihn dem Gott Abrahams ähnlich erscheinen ließ und ihm sogar denselben Namen einbrachte, den Abraham für seinen Gott verwendet hatte, den Namen des Höchsten, »El eljon« (IV, 71 f.). Deshalb ist Jaakob geneigt, »in den Sichemiten Bundesbrüder im Glauben zu erblicken«, und dies um so mehr, als Abraham mit ihrem einstigen Hohepriester Malkisedek Freundschaft gehalten hatte (IV, 159).
Abrahams Leben ist für Jaakob ohnehin ein mythisches Muster, das er in seinem eigenen Leben wiederholt und vergegenwärtigt sieht. Solcher Wiederholung zuliebe feilscht er beim Vertragsschluss mit Hemor nicht um den Kaufpreis für ein Stück Saatland, denn er »war Abraham, der von Osten kam und von Ephron den Acker, die doppelte Grabstätte kaufte. Hatte der Gründer mit Hebrons Haupt und mit den Kindern Heth um den Preis gehadert? Es gab die Jahrhunderte nicht. Was gewesen, war wieder« (IV, 163).
Das alles hindert ihn freilich nicht, den üblen Raubplänen seiner älteren Söhne, denen er anfangs energisch entgegentritt (IV, 158-160), schließlich doch, wenn auch mit Schaudern, ihren Lauf zu lassen (IV, 179 f.). Die Rädelsführer, Schimeon und Levi, die »störrigen Dioskuren«, wird er zwar wegen ihrer »Schekemer Schreckenstat« verfluchen, doch rührt seine Erbitterung gegen sie mehr aus seiner Angst um Rahel her, die zu dieser Zeit zum zweiten Mal schwanger ist, als aus seiner Verbundenheit mit den Leuten von Sichem (IV, 380).
Hemor, der Stadtfürst von Schekem, regiert nicht autonom, die Stadt ist Ägypten tributpflichtig und hat eine ägyptische Besatzungstruppe, von der die Sichemiten allerdings wenig Schutz gegen die rauflustigen Jaakobssöhne erwarten können (IV, 154 f.). Denn die Soldaten sind »ausgemachte Feiglinge« (IV, 156), und ihr Kommandant Weser-ke-bastet, auch einfach Beset genannt, hat »vom Krieger so gut wie gar nichts an sich«, frönt vielmehr »bis zur Narrheit« seiner Liebe zu Katzen und Blumen (IV, 155).
Der sterbende Jaakob vermacht Joseph ein Stück Land, »das er mit seinem ›Schwert und Bogen‹ den Amoritern genommen habe«, womit, so der Erzähler, »nur das Stück Saatland vor Schekem« gemeint sein könne, »das Jaakob einst von Chamor oder Hemor, dem Gichtigen, unterm Tore der Stadt für hundert Schekel Silbers erworben – und also keineswegs mit Schwert und Bogen erobert hatte« (V, 1787).
Josephs späterer Hausmeier Mai-Sachme, der in seinen jungen Jahren als Schreiber in Pharaos Heer nach Kanaan kam, nennt Schekem »Sekmem« (V, 1317).
Vgl. Karte von Kanaan. – Die Verhandlungen Jaakobs mit Hemor über den Kauf von Saatland (IV, 162 f.) sind den Verhandlungen Abrahams mit Ephron über den Kauf des Erbbegräbnisses (Genesis 23, 10-17) nachgebildet. – Über Sichem, seinen besonderen Tammuz-Kult und über Abrahams Beziehung zur Stadt und zu Malkisedek fand TM Material bei Jeremias I (236 f., 264, 272, 291 f., 303 f. u.ö.); ebenso die Bezeichnung »Mabartha« (236).
Bei der (mutmaßlichen) Identifizierung der Bezeichnung »Sekmem« (V, 1317) als ägyptischer Name Sichems konnte TM sich auf Benzinger stützen, dem zufolge das in ägyptischen Texten erwähnte Sekmem »höchst wahrscheinlich das biblische Sichem« ist (11, Anm. 2; ähnlich 50). Ein anderer Gewährsmann TMs, James H. Breasted, stellt allerdings fest, dass »die genauere Lage von Sekmem unbekannt« sei (Breasted, 130).
Letzte Änderung: 18.08.2013 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Schemu
Dritte Jahreszeit des ägyptischen Kalenders, die »Erntejahreszeit« (V, 1240). In den von Joseph vorausgesagten Dürrejahren geht »während der ganzen Sommer- und Erntejahreszeit, Schemu genannt, vom Februar bis Juni, fast ununterbrochen« der Chamsin, ein heißer Ostwind, der die Pflanzen verdorren lässt (V, 1583).
Der ägyptische Kalender kennt drei Jahreszeiten mit je vier Monaten: Achet (Überschwemmung), Peret (Aussaat) und Schemu (Ernte). Die vier Schemu-Monate fielen im Neuen Reich ungefähr in die Zeit von Februar-Mai oder März-Juni.
Letzte Änderung: 31.05.2015 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Scheol
Scheol ist die Unterwelt. Jaakobs Abscheu gegen jede Art von Totenkult begründet die überwiegend pejorative Begriffsverwendung. ›Scheol‹ verbindet sich für ihn mit »Todeszauber und erdunterer Unvernunft« (IV, 418), gehört der »Baals-Sphäre« Kanaans (IV, 493) und vor allem Ägypten, dem »Diensthaus des Todes«, an (IV, 696). Das nennt er »nicht ›Keme‹ oder ›Mizraim‹, er nannte es ›Scheol‹, die Hölle, das Totenreich« (IV, 414). Im Wortschatz der Jaakobssöhne ist Scheol ein Schimpfwort: »Pfui Scheol, Dreck und Spucke!« fluchen Schimeon und Levi, nachdem Joseph seinen Garbentraum erzählt hat (IV, 519).
Joseph, als er von dem alten Midianiter hört, wohin die Reise geht, »senkte den Kopf. Er hatte erfahren, daß er unterwegs ins Totenreich war; denn die Gewohnheit, Ägypten als Unterweltsland und seine Bewohner als Scheolsleute zu betrachten, war mit ihm geboren, und nie hatte er's anders gehört, besonders von Jaakob. Ins traurig Untere sollte er also verkauft werden, die Brüder schon hatten ihn dorthinab verkauft, der Brunnen war stimmigerweise der Eingang dazu gewesen« (IV, 685). Seine Trauer darüber hält freilich der Freude »am Stimmigen« (an der Übereinstimmung mit seinem mythischen ›Schema‹, dem Tammuz-Mythos) die Waage (ebd.).
Als er die Ägypter dann kennenlernt, findet er, dass sie »für Totenländler und Scheolsvolk [...] lustig zu sehen« waren, denn sie »lachten den chabirischen Dromedarreitern Grüße zu, die Späße waren, denn Fremdes war ihnen drollig« (IV, 738).
Der »Bund mit Scheol«, den Joseph in Mut-em-enets Liebe zu ihm erblickt, ist der sechste der sieben Gründe für seine ›Keuschheit‹: Die verliebte Mut erscheint ihm als Repräsentantin der ägyptischen »Andacht zum Tode und zu Toten«, die er als »die hiesige Form der Baalshurerei« betrachtet (V, 1141).
Josephs Hochzeit mit Asnath ist eine »Heirat mit Scheol, eine Ismael-Heirat [vgl. Ismael], nicht ohne Vorbild also, aber immerhin von bedenklichem Vorbild und all der Nachsicht bedürftig, deren er sich, wie es scheint, zutraulich versichert hielt« (V, 1518).
Den hebräischen Begriff Scheol (Sche'ol) verwenden TMs Gewährsleute Jeremias I (57) und Benzinger (133); Hommel (265) vermutet eine Übereinstimmung des Wortes mit dem babylonischen »shu'alu«.
Letzte Änderung: 08.03.2010 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Schepses-Bes Gottliebchen
Schilo (Shiloh)
Nicht erst bei der Segnung Judas, so will es der Erzähler, sondern schon bei der Unterweisung Thamars spricht Jaakob von einer »Verheißungsfigur, die er Shiloh nannte« (V, 1556) und die unverkennbar Züge der jüdisch-christlichen Gestalt des Messias trägt. Der Erzähler präsentiert sie als Ergebnis von Jaakobs Gedankenarbeit: Jaakob habe »sich’s ausgesonnen« und bei der Namensgebung habe er seinen Ausgangspunkt von der gleichnamigen Stadt genommen, »einer ummauerten Ortschaft weiter nördlich im Lande«, in der man nach Kriegen und Beutezügen gerastet habe, »kein sonderlich heiliger Platz« also, aber ein »Ruhe- und Rastplatz«. Eben dies bedeute »Shiloh«: »Frieden meint es und frohes Eratmen nach blutiger Fehde und ist ein Segenslaut, tauglich als Eigenname so gut wie als Name des Platzes«. Deshalb »mochte auch Shiloh als Name dienen für einen Mann und Menschensohn, Friedreich geheißen, den Träger und Bringer des Friedens« (V, 1556).
In Jaakobs Vorstellung ist er der »Mann der Gewärtigung, den Menschen verheißen in frühesten und immer erneuerten Angelobungen und Fingerzeigen«: der »Friedensfürst« und »Gesalbte«, der »herrschen würde von Meer zu Meer und vom Fluß bis zum Ende der Welt, dem alle Könige sich beugen und alle Völker anhangen würden, der Held, der einst erweckt werden sollte aus erwähltem Samen, und dem der Stuhl seines Königreiches sollte bestätigt sein ewiglich« (V, 1557). Beim Erscheinen Shilohs, so kündet Jaakob der gebannt lauschenden Thamar, würden dereinst »in kosmischer Heilskatastrophe« zwei bis dahin feindliche Sterne mit »Donnergetös« ineinanderstürzen, der »Stern der Macht« und der »Stern des Rechts«, und sich zu einem einzigen Stern, dem »Stern des Friedens« vereinen. Das sei Shilohs Stern, der Stern »des Menschensohnes, des Sohnes der Erberwählung, der dem Samen des Weibes verheißen war, daß er solle der Schlange den Kopf zertreten« (V, 1557).
Es ist diese Weissagung, die Thamars Entschluss begründet, sich »in die Geschichte der Welt einzuschalten« (V, 1558), indem sie sich »mit ihrem Schoß in die Geschlechterreihe, die in die Zeiten führte zum Heil«, einschaltet: »Eine Vor-Mutter Shilohs wollte sie sein.« (V, 1559)
Bis zur Versammlung um den sterbenden Jaakob bleibt Thamar die einzige, die die Verheißung und den Namen des Verheißenen kennt. Bei der Segnung Judas (V, 1798-1800) hören die Kinder Israels den Namen zum ersten Mal: Jaakob spricht von einem großen König, von dem der Herrscherstab »nicht weichen, noch von ihm genommen sein [sollte], bis daß ›der Held‹ käme, bis daß Schilo erschiene«. Dieser König ist niemand anderes als Juda selbst und der Verheißene, Schilo, ein Sproß seines Stammes: »Von Juda sollte nicht die Gnade weichen, er sollte nicht sterben, sein Auge nicht auslaufen, ehe denn seine Größe übergroß würde, dadurch, daß er aus ihm käme, dem alle Völker anhangen würden, der Friedebringer, der Mann des Sternes.« (V, 1799)
Jaakob steigert seine Weissagung »zu hochgehender Poesie«, in der sich die Namen vermischen, »so daß niemand wußte, ob von Juda die Rede war oder von dem Verheißenen bei den Gesichten der Segensfülle und der Begnadung, in denen sich Jaakob erging«. Von Wein ist die Rede und Weinstöcken, an die »einer« sein Tier bindet, und das Bild vom Einzug dieses ›Einen‹ gerät zum Bild eines dionysischen Festes: »In seine Stadt ritt ›er‹ ein auf einem Esel und auf einem Füllen der lastbaren Eselin – da war nichts als trunkene Lust wie von rotem Weine bei seinem Anblick, und er selber war einem trunkenen Weingott gleich, der die Kelter tritt, hoch geschürzt und begeistert: das Weinblut netzte seinen Schurz und der rote Rebensaft sein Gewand. Schön war er, wie er watend trat und den Tanz der Kelter vollführte, – schön über alle Menschen: so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz ...« Das »Aufsehen in der Sterbeversammlung über die vollkommen neuen Enthüllungen und Anzeigen, die dieser Segen gebracht, über die Verkündigung Schilo's war außerordentlich und kaum zu bändigen« (V, 1800).
Die Schreibung des Namens wechselt von »Shiloh« (in »Thamar erlernt die Welt« und »Die Entschlossene«; V, 1550-1563) zu »Schilo« (in »Die Sterbeversammlung«; V, 1787-1806). – Über die Bedeutung des Wortes »schilo« (hebr. שילה) in Jakobs Segensspruch (Genesis 49,10) herrscht nach wie vor Unklarheit. Die Lutherbibel kennt »Silo« nur als den Namen des Ortes, an dem das erste Heiligtum der Israeliten errichtet wurde (vgl. Josua 18,1); in Jaakobs Segensspruch übersetzt sie »schilo« mit »der Held«. Zahlreiche – alte wie neuere – Übersetzungen haben »Herrscher« oder »der, dem er [der Herrscherstab] gehört«; viele lassen das Wort unübersetzt.
TM orientiert sich im Wesentlichen an Alfred Jeremias und an den »Sagen der Juden«. Jeremias stellt zunächst keine Beziehung zum Namen des Ortes her (dessen Identität mit Bethel er für wahrscheinlich hält; vgl. Jeremias I, 320, Anm. 1): In Jakobs Segensspruch sei »Šilo« ein »Motiv der Erlösererwartung, das trotz neuerer Hypothesen der Erklärung spottet« (Jeremias I, 345). In einem späteren Beitrag vertritt er dann die These, dass Jakob sich hier doch auf den Ort Silo beziehe (weshalb er den Nebensatz in Genesis 49,10 mit »[…] bis er kommt nach Siloh« übersetzt, vgl. Jeremias IV, 28) und die »ursprünglich geographische Bezeichnung« erst in davidisch-salomonischer Zeit »zu einem persönlichen Symbolwort umgedeutet worden sein [muß], das den kommenden messianischen König bezeichnete« (Jeremias IV, 76). – In den »Sagen der Juden« heißt es mit Bezug auf den Segensspruch lapidar: »Silo, das ist der König Messias; er wird kommen und wird die Zähne der Sternanbeter stumpf machen.« (Gorion III, 42) Auch die Verwechselbarkeit von Schilo und Juda in Jaakobs Rede (V, 1799 f.) mag durch einen Passus an derselben Stelle angeregt sein, der lautet: »Ein junger Löwe war Juda benannt, weil er kein Wesen fürchtete. Wer aber die Furcht nicht kennt, das ist der König Messias.« (Gorion III, 43)
TM arbeitet in Jaakobs Unterweisungen für Thamar wie auch in den Segensspruch für Juda Weissagungen und Wendungen aus anderen Büchern des Alten Testaments ein: das Bild vom Einritt des Königs in »seine Stadt« (V, 1800) nach Sacharja 9,9; seines Herrschaftsbereichs »von Meer zu Meer und vom Fluß bis zum Ende der Welt« (V, 1557) nach Sacharja 9,10 oder Psalm 72,8; seine Bezeichnung als ›Menschensohn‹ (V, 1557) nach Daniel 7,13 und als »Samen des Weibes«, der »der Schlange den Kopf zertreten« wird (V, 1557), nach Genesis 3,15; schließlich das (Genesis 49,11 ausführende) Bild des die Kelter tretenden Erlösers nach Offenbarung 19,15 oder Jesaja 63,2-3.
Die Phrase aus »Schneewittchen«, die in der Rede von Schilos Schönheit auftaucht (V, 1800), verdankt sich vielleicht, wie Berger vermutet, einem Hinweis bei Jeremias, der die Farben Schneewittchens in Zusammenhang mit einem Motiv aus dem ›Jerusalem Targum‹ zu Genesis 2,7 (Erschaffung Adams) bringt, in dem es heißt, Gott habe Adam rot, schwarz und weiß geschaffen (Jeremias I, 46, Anm. 3): »Wie in der jüdischen Sage Adam, so ist das geheimnisvolle Kind im Mondmotiv-Märchen [d.i. Schneewittchen] schwarz, weiß, rot« (Jeremias I, 674, Stichwort ›Geburt‹). Bergers Schlussfolgerung, dass schwarz, weiß, rot mithin die »Symbolfarben des Retters« seien (Berger 176), dürfte auf einem Missverständnis dieses Satzes beruhen (und/oder auf dessen assoziativer Verknüpfung mit dem in demselben Registereintrag genannten Motiv der »geheimnisvolle[n] Herkunft des Retters«): Weder Adam noch Schneewittchen sind ›Retter‹-Figuren. Freilich kann man nicht ausschließen, dass TM den Passus ähnlich missverständlich gelesen hat.
Ob Jaakobs Vision einer »kosmische[n] Heilskatastrophe«, die bei Shilohs Erscheinen eintreten soll (V, 1557), auf spezielle Vorbilder zurückgeht, muss dahingestellt bleiben. Die bekannten apokalyptischen Vorstellungen kennen das Motiv einer Vereinigung zweier Sterne nicht. Die Bezeichnung des daraus hervorgehenden neuen Sterns als »Stern des Friedens« (V, 1557) ist eine der landläufigen Bezeichnungen für den Stern von Bethlehem. Das legt die Vermutung nahe, dass es sich hier um eine Anspielung auf den Stern von Bethlehem nach Matthäus 2,2 in Verbindung mit der Weissagung des Bileam in Numeri 24,17 (»Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen«) handeln könnte. Unter den zahlreichen astronomischen Theorien, die zu dessen Erklärung entwickelt wurden, kommen die Konjunktionstheorien, die u.a. Johannes Kepler vertrat, dem von TM präsentierten Bild einer Vereinigung zweier Sterne am nächsten.
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Schimeon
Schimeon ist der zweite Sohn Jaakobs, den Lea, »kaum, daß sie vom Ersten genesen«, empfängt und »rüstig und wohlgemut« austrägt »bis zur Stunde, da sie mit etwas veränderter Miene befahl, die Ziegelsteine zu richten« (IV, 317 f.; Genesis 29,33). Bei seiner Geburt niest er (IV, 318). Schimeon und sein ein Jahr nach ihm geborener Bruder Levi sind ein unzertrennliches Brüderpaar, die »wilden Zwillinge«, geeint durch ihr ›rohes, aber frommes‹ Wesen (IV, 502) und ihre barbarischen Taten (vgl. Zwillinge). Nur einmal werden sie getrennt: Joseph bestimmt, dass Schimeon als Geisel in Ägypten zurückbleibt, während die übrigen Brüder zurückreisen, um Benjamin zu holen (V, 1624).
Schimeon ist es, der kurz vor Josephs Ankunft auf den Weidegründen von Dotan das ›uralte Lied‹ von Lamech und seiner »wild empfindlichen Ehre« anstimmt (IV, 549), in dem die Brüder, Ruben ausgenommen, die Rechtfertigung für ihre Rache an Joseph suchen (IV, 549-553).
Der Vatersegen, der Schimeon und Levi »verflucht unterm Segen«, bestimmt ebenfalls die Trennung der Zwillinge. Für das Schimeon zugesprochene Stammland sagt Jaakob den baldigen Zerfall voraus (V, 1794), den der Erzähler bestätigt: »der Stamm Schimeon blieb immer anlehnungsbedürftig und verlor sich in Juda« (V, 1797). Da die Verwerfung »unterm Gesamtheitssegen« geschieht, sind beide von diesem Fluch wenig beeindruckt (V, 1794 f.).
Schimeon heiratet »eine aus Schekem als Beute hinweggeführte Bürgerstochter namens Buna« (IV, 492).
Band IV: 82, 85, 88, 132 f., 145, 152, 157 f., 164, 170, 174, 181, 316-318, 336, 359, 380, 412, 480, 488, 491 f., 493 f., 502, 509-511, 514 f., 520, 549, 552, 559, 562, 564, 567, 600, 623, 631, 658.
Band V: 1470, 1541, 1545, 1547, 1555, 1590, 1613, 1622, 1624 f., 1627 f., 1630-1636, 1641, 1643 f., 1649 f., 1652, 1664, 1715, 1782, 1789, 1794-1797.
Vgl. Übersicht zur Genealogie und Karte der Stammesgebiete Israels.
Letzte Änderung: 01.09.2010 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Schmun Chmunu
Schosu
Ägypten schützt seine Nordostgrenze gegen »Schosuwildlinge und Staubbewohner« durch die Herrschermauer (IV, 709).
Schosu hießen in Ägypten die »Beduinen der Sinaihalbinsel oder der syrischen Wüste« (Steindorff I, 48). Sie bedrohten den Nordosten des Landes mit Raub- und Plünderungszügen und machten die Handelswege zwischen Ägypten und Vorderasien unsicher (vgl. Wiedemann, 12).
Letzte Änderung: 30.01.2013 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Schua
Ein kanaanitischer Mann aus dem Dorf Odollam oder dessen Umgebung, Vater von Judas erster Frau, die stets nur »Schua's Tochter« genannt wird (vgl. Genesis 38,2). Juda lernt ihn durch einen seiner Hirten, Hirah, kennen (IV, 493).
Letzte Änderung: 31.08.2010 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Schua's Tochter
Die Frau Judas, eine Kanaaniterin aus dem Dorf Odollam (oder dessen Umgebung), bleibt namenlos, sie wird stets nur (wie in Genesis 38,12) die »Tochter Schua's« genannt. Juda heiratet sie mit Jaakobs Zustimmung (vgl. IV, 493). Seine Hoffnung, die Ehe werde ihn von seinem starken Geschlechtstrieb befreien (vgl. V, 1548), erfüllt sich nicht, so dass Schuas Tochter »ihn viel zu beweinen, ihm viel zu vergeben« hat. Das wird ihr etwas leichter, »weil sie immerhin dreimal Mutterglück kostete«, das freilich nicht lange währt, denn die drei Söhne, 'Er, Onan und Shelah, »waren nur anfangs nett, dann wurden sie übel« (V, 1549), was Juda ihr und ihrer kanaanitischen Herkunft anlastet (vgl. IV, 493). Ihre spätere Schwiegertochter Thamar, die ihr den Platz an Judas Seite neidet, hegt tiefe Geringschätzung für sie, weil sie »auf der Bahn war und an erlauchtem Platze, so ohne Verdienst und Wissen und Willen« (V, 1559). Nach dem frühen Tod der beiden ältesten Söhne beginnt Schuas Tochter zu kränkeln (vgl. V, 1568) und stirbt schließlich »aus Gram« über Judas »Knechtschaft bei Astaroth, dazu über ihrer Söhne Verderben und darüber, daß sie schuld daran sein sollte« (V, 1570).
Letzte Änderung: 22.02.2015 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Schubbilulima (Subbilulima)
Hethitischer König, der die Vormachtstellung Ägyptens in Kanaan bedroht (vgl. Chatti) und mit Tuschratta, dem Herrscher des Mitanni-Reiches, im Streit liegt.
Band IV: 76. – Band V: 955 f., 981.
Šuppiluliuma I. herrschte vermutlich im 14. Jh. v. Chr.
Letzte Änderung: 03.10.2008 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Schumir
Schumir ist Sumer. Das Wort erscheint im Roman zweimal in der Fügung »König von Schumir und Akkad« (IV, 10; IV, 343) und bezieht sich auf den babylonischen König Kurigalzu.
Die Formel »König von Sumer und Akkad« wurde seit altbabylonischer Zeit häufig als Titel babylonischer Könige verwendet. – TM orientierte sich bei der Bezeichnung der babylonischen Landesteile (Sumer im Süden, Akkad im Norden) vermutlich an Meissner (I, 8).
Letzte Änderung: 08.04.2015 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Sebul
Einer der sieben Himmel, die Joseph in seinem Himmelstraum (IV, 459-468) in den Fängen des Adlers und Engels Amphiel durchfliegt. Sebul hat sieben Hallen »in Feuer gebaut«, in denen sieben Heere von Engeln Dienst tun und sieben feurige Altäre aufgerichtet sind. Hier waltet der »Oberste Fürst mit Namen ›Wer ist wie Gott?‹« [d. i. der Erzengel Michael], »behangen mit Priesterpracht, und opferte Feueropfer und ließ Rauchsäulen emporsteigen auf dem Altar des Brandopfers« (IV, 464).
Die jüdische Lehre von den sieben Himmeln, wonach Sebul der vierte Himmel ist, fand TM bei Gorion I (38 ff.); vgl. auch den hier verfügbaren Auszug. – Vgl. auch die übrigen namentlich erwähnten Himmel Rakia, Schejakim und Araboth. – Josephs Traum ist Wiederholung der Geschichte von Henochs Entrückung und Erhöhung, die in den apokryphen Henoch-Schriften erzählt wird. TM kannte sie aus Gorion I (293-308); vgl. auch den hier verfügbaren Auszug.
Letzte Änderung: 21.03.2010 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Sebulun
Sebulun ist der zehnte der zwölf Söhne Jaakobs und der sechste und jüngste Sohn Leas, »geboren im elften Ehejahr« (IV, 334; vgl. Genesis 30,20).
Sebulun »wäre lieber nicht Hirte gewesen« (IV, 494 f.). Er achtet »das Hirtenleben für nichts und möchte auch nicht Ackerbauer sein, sondern Seefahrer. Denn seit er bei Askalun das Meer gesehen hat, »wußte er nichts Höheres als diesen Beruf und schnitt mächtig auf von Abenteuern und zwittrig-ungeheuerlichen Geschöpfen, welche jenseits der Wasser lebten und die man als Schiffsmann besuchen könne« (IV, 72). Er legt es darauf an, »einem Phönizier zu gleichen, mit geschorenem Rundbart, den Kopf voll kurzer Locken, in bunt gemustertem Oberrock, der nur eine Schulter bedeckte und auf der anderen, unterm Arm durchlaufend, das Hemd frei ließ« (IV, 494).
Sebuluns Begeisterung für die Seefahrt und Verachtung des Hirtendaseins hat auch mit Vorbehalten gegen die vom Vater gesetzten zivilisatorischen Standards zu tun, die ihn und die Brüder hindern, den naseweisen Joseph kurzerhand umzubringen. Seine Klage darüber gerät zu einer Klage über die Zivilisationsgeschichte seiner Ahnen bis zurück zu Ada, Lamechs Frau, die in seinen Augen an allem schuld war, weil sie Jabal gebar, »den Urahn derer, die in Zelten wohnen und Viehzucht treiben«. Daher, so meint er, komme es, daß sie keine rechten Männer mehr seien, sondern »Klügler und Frömmler«, denn »mit Jabal, Ada's Sohn, kam die Zeltfrömmigkeit in die Welt, das Schäferwesen und Abrams Gottessinnen, das hat uns entnervt, daß wir zittern, dem würdigen Vater ein Leides zu tun« (IV, 552).
Der Vatersegen für Sebulun gilt dem Erzähler als Beispiel dafür, dass Jaakob bei der Segnung seiner Söhne einige »feierliche Irrtümer« unterlaufen: »Von Sebulun sagte er, er solle zum Gestade des Meeres hin wohnen und zum Gestade der Schiffe hin; an Sidon solle er grenzen. Das lag nahe, denn dieses Sohnes Vorliebe fürs Meer und den Pechgeruch war allbekannt. Sein Stammesgebiet aber reichte dereinst durchaus nicht ans Grüne, noch grenzte es je an Sidon. Es lag zwischen jenem und dem See Galiläas, getrennt von diesem durch Naphtali, vom Meere durch Ascher« (V, 1797; vgl. auch 1800 und Genesis 49,13).
Band IV: 72, 152, 170, 246, 316, 334, 398, 491, 494 f., 501 f., 505, 515, 552, 602, 628 f., 658.
Band V: 1540, 1547, 1600, 1620, 1654 f., 1673, 1774, 1797, 1800.
Vgl. Übersicht zur Genealogie und Karte der Stammesgebiete Israels.
Letzte Änderung: 07.03.2009 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Se'ench-Wen-nofre-Neteruhotpe-em-per-Amun Gottliebchen
Sefer
Das hebräische Wort für »Buch und Schreibzeug«. Dass es, wie der Knabe Joseph findet, in seinem Namen anklingt, erfüllt ihn mit einer »beständigen Genugtuung«, denn anders als seine Brüder »liebte er die stilistische Beschäftigung und besaß so viel Gewandtheit darin, daß er recht wohl an einer Stätte der Urkundensammlung, wie Kirjath Sefer oder Gebal, als Schreibämtling hätte dienen können, wenn an die Zustimmung Jaakobs zu einer solchen Berufsübung hätte gedacht werden können.« (IV, 90 f.)
TM stützt sich hier wohl auf Jeremias, der die Bedeutung von »sepher« sowohl mit »Buch« als auch »Schreibzeug« angibt (Jeremias I, 126, Anm. 5; 370; 245). Benzinger (186) übersetzt »sêfer« mit »Brief«.
Letzte Änderung: 29.04.2012 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Seïr
Das südöstlich vom Toten Meer gelegene »Ziegengebirge« (IV, 187) im Lande Edom. Zu den Leuten von Seïr, den Seïrim (IV, 199), knüpft Esau schon früh, schon von Beerscheba aus, enge Beziehungen (IV, 135, 188). Nach dem Segensbetrug schlägt er sich ganz zu ihnen und geht »mit Kind und Kegel, mit seinen kanaanitischen Weibern Ada, Ahalibama und Basnath und mit deren Söhnen und Töchtern gänzlich zu ihnen und ihrem Gotte Kuzach über« (IV, 188).
Vgl. Karte von Kanaan. – Weiteres bei Edom. Als Landschaftsnamen werden Seïr und Edom häufig nahezu synonym verwendet. – Nach Benzinger (370), dem TM hier wohl folgt, sind die Leute von Seïr die ›Haarigen‹, sâ'îr bedeute ›haarig‹ und sei zugleich Bezeichnung des Sündopferbocks, des Ziegenbocks. Die ›Haarigen‹ »gehören im System zur Sonne des Südens, d.h. zur Unterwelt, zur Wüste, dem Orte der Unreinheit, wo alles Unreine hingehört. Daher steht der Ausdruck auch in der mit mythologischen Anspielungen auf Tammuz vollen Josefsgeschichte« (vgl. Genesis 37,31).
Letzte Änderung: 07.03.2010 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Sekel Schekel
Sekmem Schekem (Anm.)
Sem
Sem ist einer der Söhne Noahs und Bruder Chams und Japheths (V, 1553). In der mythischen Ordnung des Romans ist er eines der Urbilder des segensträchtigen Bruders, der einem üblen, ›roten‹ Gegenbruder gegenübersteht wie Habel dem Kain, Osiris dem Set, Isaak dem Ismael oder Jaakob dem Esau (IV, 194). Sein Gegenbruder ist Cham, der über seinen im Weinrausch entblößten Vater Noah gespottet hatte und daraufhin verflucht worden war (V, 1143 f.). Die Jaakobsleute führen ihren Stamm auf Sem zurück (V, 1553, 1556).
Näheres zum mythischen Muster von Bruder und Gegenbruder bei Ismael.
Letzte Änderung: 22.03.2010 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Semael
Semael war, bevor er gestürzt wurde, ein ›sehr großer Fürst unter den Engeln‹, »da er zwölf Paar Flügel besaß, die heiligen Tiere und die Seraphim aber nur je sechs« (IV, 47). Er wurde gestürzt, weil er sich der göttlichen Forderung widersetzt hatte, sich vor Adam »seiner Vernunft wegen und weil er alle Dinge bei Namen zu nennen wußte« zu verbeugen. Er hielt es für Unsinn (und sagte es auch mit »wilder Offenheit«), dass »die aus dem Glanz der Herrlichkeit Erschaffenen vor dem aus Staub und Erde Gemachten niedersänken«. Sein Sturz hatte nach Eliezers Beschreibung von weitem ausgesehen, »wie wenn ein Stern fällt« (IV, 47).
Semael war der erste, der das Böse dachte und in die Welt setzte (V, 1281). In den »Oberen Rängen« will man sogar wissen, dass die Idee, den Menschen zu erschaffen, von Semael stammte. Dabei sei es ihm darauf angekommen, »das Böse, seinen eigensten Gedanken, den sonst niemand hegte noch kannte, zu verwirklichen und in die Welt zu setzen«. Dazu »war genau das Geschöpf nötig gewesen, das Semael aller Vermutung nach dort in Vorschlag gebracht hatte: ein Gottesgleichnis, das zugleich fruchtbar war, also der Mensch« (V, 1281).
Weiter wird gemunkelt, dass Semael keineswegs verhehlt habe, dass mit diesem Geschöpf auch das Böse in die Welt kommen würde. Vielmehr habe er Gott vermutlich »in gewohnter Großartigkeit« reinen Wein eingeschenkt und ihm die Erschaffung des Menschen schmackhaft gemacht mit dem »Hinweis auf den Zuwachs an Lebendigkeit, den das Wesen des Schöpfers dadurch erfahren werde« (V, 1281). Der Erzähler hält das alles für ziemlich ausgemacht, zumal in »hebräischen Kommentaren zur Urgeschichte« zu lesen steht, dass und warum Gott gewusst haben muss, dass mit dem neuen Geschöpf auch das Böse entstehen werde: Genau dieses Detail seines schöpferischen Vorhabens habe er nämlich den Engeln »aus Besorgnis, es möchten ihm von dieser Seite Schwierigkeiten gemacht werden«, verschwiegen (IV, 46).
Was das Strafen und Belohnen angeht, das mit der Erschaffung des Bösen und damit auch Guten zu Gottes Aufgabe geworden war, so ist man in den ›oberen Rängen‹ (angesichts von Geschichten wie der des Henoch besonders) der Meinung, dass »die auf Semaels Rat gestiftete moralische Welt nicht mit dem nötigen Ernst gehandhabt« wird, ja, es »fehlte nicht viel, es fehlte zuweilen überhaupt nichts, daß man in den Kreisen geurteilt hätte, Semael meine es mit der moralischen Welt viel ernster als Er« (V, 1284).
Auch nach Semaels Sturz kommt die englische Gerüchteküche nicht zur Ruhe. Man munkelt, dass Semaels »Anregung«, den Menschen zu schaffen, »nicht die letzte gewesen war, die er dem Throne hatte zukommen lassen«, was zugleich bedeuten würde, dass Gott mit dem Gestürzten weiterhin Umgang pflegt und entweder »hinter dem Rücken der Umgebung« Fahrten in den »Pfuhl« (d.h. in die Hölle) unternimmt oder Semael heimlich vor den Thron treten lässt (V, 1286). Es geht nämlich das Gerücht, dass Gott vorhabe, sich »in einem noch nicht vorhandenen, aber heranzubildenden Wahlvolk« zu verleiblichen, um es den »anderen magisch-mächtigen und fleischlich-lebensvollen Volks- und Stammesgottheiten dieser Erde« gleichzutun, ein Vorhaben, das ihm niemand anderes als der »große Semael« eingeflüstert haben könne (V, 1288).
Semaels Motive bei diesem Ratschlag sind »Bosheit und der brennende Wunsch, Verlegenheiten zu bereiten«, denn er weiß, dass es mit dem Versuch, wie andere Götter zu sein, »nie und nimmer ein gutes Ende nehmen« und selbst noch die vorauszusehende reuige »Umkehr und Selbstbesinnung« Gottes von einer »der Urbosheit erfreulichen Beschämung« begleitet sein würde (V, 1289 f.). Dass zudem das als »Wahlvolk« ins Auge gefasste Volk Israel es »keimweise, von Anfang an sozusagen besser wußte als sein Volksgott, und alle Kräfte seiner reifenden Vernunft daransetzte, Ihm aus seiner unangemessenen Lage wieder ins Jenseitig-Allgültig-Geistige zurückzuhelfen«, darin liegt für Semael der »Witzpunkt des Vorganges« (V, 1291).
Die »nicht geheueren Fußstapfen«, in denen der ›böse Bruder‹ und ›Rote‹ Ismael wandelt, sind die Fußstapfen Semaels: »Die leichteste Abänderung der ersten Silbe seines Namens genügt, um diesen in seinem ganzen Hochmut herzustellen« (IV, 193).
Die Erzählung von Semaels (Satans) Höllensturz stützt sich auf Gorion I (254-256). – Zum Einfluss von Oskar Goldberg (Die Wirklichkeit der Hebräer, Berlin 1925) auf das »Vorspiel in Oberen Rängen« (V, 1279-1291) vgl. Fischer (691-693) und die dort genannte Literatur.
Letzte Änderung: 21.03.2010 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Semhazai
Protagonist der »Fabel vom Namen«, die Joseph von Eliezer gelernt hat und seinem Vater in der nächtlichen Brunnenszene am Anfang des Romans zu erzählen beginnt. Da das »Väterchen« aber in »tiefes Sinnen« fällt, unterbricht er sich (IV 91), und der Ausgang der Geschichte wird an anderer Stelle zu Ende erzählt (IV, 400 f.).
Der auf die Erde gesandte Engel Semhazai begehrt die Jungfrau Ischchara, die ›auf ihn hören‹ will unter der Bedingung, dass er ihr vorher den Namen Gottes verrät, kraft dessen er zum Himmel auffahren kann. (IV, 91). Kaum hat Semhazai dies getan, schlägt sie dem »lüsternen Boten« ein Schnippchen, fährt kraft des göttlichen Namens »unversehrt an ihrer Jungfräulichkeit« zum Himmel auf, wo sie freundlich empfangen wird und einen Platz unter den Sternen bekommt. »Und das war der Ursprung des Bildes der Jungfrau«.
Der begehrliche Semhazai aber konnte nicht mehr zurück und musste als ein gefallener Engel »im Staube« bleiben, bis Jaakob seinen Traum von der Himmelsleiter träumte. »Erst auf dieser Leiter und Rampe hatte er wieder heimsteigen können, tief beschämt, daß er es nicht vermochte außer in eines Menschen Traum« (IV, 400 f.).
Die Geschichte von Ischchara und dem Engel Semhazai fand TM bei Gorion I (314-316). Dort heißt die Protagonistin Ištar.
Letzte Änderung: 22.03.2010 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Senwosret Amenemhet
Sephela
Die Karawane der Midianiter zieht mit Joseph von Dotan aus an die Mittelmeerküste und folgt dann dem flachen Küstenstreifen, der bis Gaza hinunterführt: »Sephela, die Niederung, gleichlaufend der Meeresküste, war es, in der sie zogen« (IV, 695 f.).
Die Schefela (Schephela) ist nach Benzinger das »Hügelland zwischen dem eigentlichen Bergland und der Ebene [...]; oft ist in dem Namen die Ebene selbst inbegriffen« (Benzinger, 13). TM scheint nur diese Küstenebene zu meinen, die sich vom Karmelgebirge nach Süden zieht.
Letzte Änderung: 07.09.2010 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Serach
Eine Tochter des Jaakobssohns Ascher. Die zwölfjährige Serach bringt ihrem Großvater Jaakob in Form eines selbst erdachten Liedes als erste die Kunde, dass Joseph noch lebt (V, 1706-1718). Sie übernimmt damit die Rolle des jungen Mädchens im Tammuz-Kult, das beim zweiten Teil des großen Tammuz-Festes, dem »Fest des Lampenbrennens«, die Aufgabe hat, die Auferstehung des Tammuz-Adonis im Lied zu verkünden (IV, 452 f.).
Am 27.6.1942 schreibt TM an Agnes E. Meyer auf deren Frage, was er gerade lese: »die Psalmen Davids, Goethe's Gedichte – dieses im Zusammenhang mit einer Joseph-Szene, bei der ich gerade halte. Als nämlich die Brüder nach Kanaan zurückkehren, wissen sie nicht recht, wie sie's dem Vater beibringen sollen, daß Joseph lebt und ›ein Herr ist in ganz Aegyptenland‹. Darum stellen sie ein kleines Mädchen, Serach, die Tochter Aschers, an, ein ausnehmend musikalisches Kind, ihm das Wunder zur Laute vorzusingen: eine außer-biblische, altjüdische Überlieferung, die ich aufnehme und schnurrig ausgestalte.« (Selbstkommentare, 220 f.; vgl. auch die Briefe an Jonas Lesser vom 2.7. und an Agnes E. Meyer vom 5.7.1942, ebd. 221 f.) Die »altjüdische Überlieferung« fand TM bei Gorion III, 255 und in dem von Gorion herausgegebenen (aus dem altjüdischen »Sefer ha-jaschar« entnommenen) Joseph-Roman (Joseph und seine Brüder. Ein altjüdischer Roman. Hg. von Micha Josef bin Gorion, Frankfurt a.M. 1917, S. 91).
Letzte Änderung: 02.03.2015 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Seraphim (Saraph)
Die Seraphim gehören mit den Cherubim zu den höchsten Engeln, sie tun in nächster Umgebung des Thrones ihren Dienst (IV, 465), erheben ihre Stimmen zu ›dröhnendem‹ Lobgesang (IV, 90) und tragen zum Zeichen ihres hohen Ranges sechs Flügelpaare (IV, 47).
In Josephs Himmelstraum bewachen sie mit ihren ›Schlangenschwertern‹ die Himmelsfeste (IV, 463) und drängen sich um den Gottesthron, wobei sie mit zwei Flügeln ihre Füße und mit zwei weiteren ihr Gesicht bedecken (vgl. Jesaja 6,2), »aber sie lugten etwas hindurch durch das Gefieder«, wie auch Joseph selbst durch die Finger (IV, 465).
Schon vor der Ankunft am Himmelsthron sieht Joseph in seinem Traum zwei Seraphim, Aza und Azaël, die ihren Widerwillen gegen den »vom Weibe Geborenen« kaum verhehlen (IV, 463). Sie gehören der heimlichen, seit Semaels Sturz zwar verschüchterten, aber zäh sich haltenden Opposition im himmlischen Staatswesen an, die sich von Anfang an gegen die Erschaffung des Menschen ausgesprochen hatte und Gottes besondere Schwäche für das Menschengeschlecht eifersüchtig beäugt (vgl. V, 46-48; V, 1279-1290).
Als Gott den Menschensohn dann traumweise zum Metatron erhöht, treten Aza und Azaël denn auch vor und erlauben sich Nachfragen, was ihnen Gottes heiligen Zorn einbringt, so dass »ein Rauschen und Tosen durch die Heere« geht, die Cherubim mit ihren Flügeln schlagen »und alles Himmelsgesinde rief, daß es schallte: ›Gelobt sei die Herrlichkeit des Herrn an ihrem Ort!‹« (IV, 466). Benjamin, der atemlose Zuhörer von Josephs Traumerzählung, findet die Erhöhung seines Bruders völlig »angemessen« und hat »einen Ärger auf Aza und Azaël, die da dazwischenredeten« (IV, 469).
Dass Joseph seinem Vater wie ein »Engel aus der Nähe des Sitzes« (also mindestens wie ein Seraph) vorkommt, versteht sich (IV, 107).
TM folgt hier Gorion (I, 93), bei dem die Seraphim nicht, wie Jesaja berichtet, sechs Flügel, sondern sogar sechs Flügelpaare haben. Auch die (aus dem apokryphen Henoch-Buch stammende) Episode mit Aza und Azaël dürfte TM aus Gorion I (296 f.) bezogen haben (vgl. auch den hier verfügbaren Auszug). Im hebräischen Henoch-Buch sind Aza und Azaël ähnlich wie Semael gefallene Engel, ehemals hochrangige Himmelsfürsten, die zu Agenten des Bösen wurden (vgl. im hebräischen Henoch-Buch die Kap. 4, 6-10 und Kap. 5, 9).
Aza, der sich auch als »Blitzengel« bezeichnet (IV, 464), wird einmal »Aza, der Saraph« genannt (IV, 466), möglicherweise eine Anspielung auf die (unsichere) Etymologie des Wortes ›Seraph/Seraf‹, das vielleicht aus dem hebr. Verb ›srp‹ (brennen, verbrennen) abgeleitet ist (vgl. Jeremias II, 379), was dann auf einen Zusammenhang mit den feurigen Schlangen (Sarafen) hinweisen könnte, mit denen Gott das Volk Israel in der Wüste straft (Numeri 21,6).
Jeremias I (593) macht zwischen Seraphim und Cherubim keinen Unterschied, hält beide für eine allgemeine Bezeichnung himmlischer Genien.
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Serapis Chapi, der Stier
Set (Setech)
Set, der Bruder und Mörder des Usir (Osiris), ist im Roman das mythische Ur-Modell des ›Roten‹ (vgl. IV, 188-194), des Herrn der Wüste, der Lebensfeindschaft, des ›bösen Bruders‹, in dessen Spuren u.a. Ismael und Esau gehen (IV, 193, 200). Der Name Typhons, des Riesen und Ungeheuers der griechischen Mythologie, wurde ihm schon von altersher gegeben (IV, 190).
Die Geschichte von Set und Usir wird im Roman in einem Jaakobs-Traum von Anup erzählt (IV, 288-293). Danach sind Usir und Eset, Set (Seth) und Nebthot (Nephthys) Geschwister, Kinder der Götter Geb und Nut, und zugleich ehelich verbundene Paare (IV, 290). Eines Nachts zeugt Usir, im Glauben, seine Gattin Eset zu umarmen, mit seiner Schwester Nebthot den Anubis; erst am Morgen bemerken beide ihr »Versehen« und fliehen entsetzt voneinander (IV, 291 f.). Set entdeckt den Ehebruch und verfolgt seinen Bruder, lockt ihn in eine »Lade«, wirft ihn in den Nil und wird alsbald »König aller Länder auf dem Throne Gebs« (IV, 292), während Usir Herr der Unterwelt wird. Sets Triumph währt nicht lange, denn Usirs Sohn Horus rächt den Vater (IV, 292).
Sets Tier ist der Esel (IV, 193), er selbst ist eselsköpfig. Typhon-Set, »der rote Jäger«, unterweist die ägyptischen Könige in Karnak im Bogenschießen (IV, 190; vgl. Erman/Ranke 325). Ihm werden die lebensfeindlichen Kräfte der Sonne zugeschrieben, der »Glut- und Wüstenwind Chamsin«, der Sonnenbrand und »das Feuer selbst, so daß er zum Baal Chammon oder zum Gotte der offenen Gluthitze wurde und unter den Phöniziern und Ebräern Moloch hieß oder Melech, der Baale Stierkönig, der mit seinem Feuer die Kinder frißt und die Erstgeburt und welchem Abram den Jizchak darzubringen versucht gewesen war« (IV, 190 f.; vgl. Melech). Sets Stern ist Nergal-Mars, »der siebennamige Feind, Mars, der rote, der Feuerplanet« (IV, 191).
Nach dem Gesetz der ›rollenden Sphäre‹ und ihrer »Wahrheit, daß Götter Menschen, Menschen dagegen wieder Götter werden können« (IV, 190), ist auch Set »beides und keines zuerst: Gottstern und Mensch, wechselnd, in einem. Darum kommt keine andere Zeitform ihm zu als die der zeitlosen Gegenwart, welche die Schwingung der Sphäre in sich beschließt, und mit Recht heißt es immer von ihm: ›Er ist der Rote.‹« (IV, 191).
Als Mensch und »König über Ägypterland« könnte Set, vermutet der Erzähler, der Erbauer der großen Sphinx von Gizeh gewesen sein (IV, 22). Auch spreche einiges dafür, dass eine erste Einigung des ägyptischen Reiches nicht erst durch den legendären Pharao Menes, sondern schon weit früher durch Set und Usir bewerkstelligt worden sei, woraus dann auch zu folgern sei, dass die Geschichte des Brudermords weniger mit dem Ehebruch als vielmehr mit Thronstreitigkeiten zu tun hatte, »welche damals mit List und Verbrechen ausgetragen wurden« (IV, 22 f.).
Was redensartlich »aus den Tagen des Set« stammt, ist so »unvordenklichen Alters« wie das ›rote‹ Prinzip selbst. Dem jungen Joseph gefällt die Redensart, und auch »wir«, meint der Erzähler, »finden sie höchst verwendbar und schlechthin auf alles passend, – ja, wohin wir nur blicken im Bereiche des Menschlichen, legt sie sich uns nahe, und aller Dinge Ursprung verliert sich bei schärferem Hinsehen in den Tagen des Set« (IV, 24).
Das »Land des Set und der roten Krone« ist Unterägypten. Dort liegt auch die Inselfestung Zawi-Rê, Josephs zweite ›Grube‹ (V, 1293). Set gehört neben Amun, Usir, Eset, Anup, Chnum, Thot und Ptach zu den Göttern, deren Gedächtnis Echnatôn ausradieren möchte (V, 1812).
Isaaks Halbbruder Ismael, der in den Spuren des ›bösen Bruders‹ wandelt, wird »einem Waldesel verglichen, dem Tiere Typhon-Sets, des Mörders, des bösen Bruders Usiri's« (IV, 193).
Das ›Tier des Set‹ gibt, was sein zoologisches Vorbild angeht, Rätsel auf. Seine Deutung als Esel bei Erman (38 f.), Jeremias I (406) und Braun (I, 289 f.) dürfte TM sehr willkommen gewesen sein, weil sie die Korrespondenz zwischen den beiden ›bösen Brüdern‹ und ›Roten‹, Set und Ismael, stützt. In anderen Abbildungen, die ihm zur Verfügung standen, ähnelt es eher einem hundeartigen Tier mit pfeilförmigem Schwanz (vgl. z.B. Erman, 38; ErmanAeRe, 25 und Erman/Ranke, 272). Erst über einen Selbstkommentar TMs wird erkennbar, dass er die von einigen Ägyptologen auch erwogene Deutung des Tieres als Erdferkel (vgl. Bonnet, 702) gekannt haben muss, obwohl seine ägyptologischen Gewährsleute sie nicht nennen: In einem Brief an seine amerikanische Übersetzerin Helen T. Lowe-Porter vom 23.6.1937 lässt er ihr durch Katia Mann Cha'ma'ts Fluch »Zum Erdferkel!« (IV, 852) erklären: Es sei ein von ihm erfundener Fluch, der auf das Tier des Set anspiele (Selbstkommentare, 158). Im Roman selbst wird diese Verbindung nirgends hergestellt. In dem (nach diesem Selbstkommentar entstandenen) vierten Teil des Romans gibt es eine ähnliche Formel: »Das wäre des Erdferkels«, sagt Nefer-em-Wêse zu Joseph, »wenn ich nicht dein gedenken und dich nicht erwähnen wollte« (V, 1358). – Mit der Gleichsetzung Typhons und Sets, die schon in der Antike vollzogen wurde (vgl. Pauly, V, 1022; Bonnet, 714), folgt TM wohl vor allem Braun (I, 289 f.).
Abb.: (1) Zeichnung des eselsköpfigen Set mit koptischer Inschrift. – (2) Kalksteinstele des Aapehty (um 1200 v. Chr.). – Vgl. auch die Darstellung des Set aus dem Grab Thutmosis III. bei WikimediaCommons.
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Seth (Set)
Anders als sein ägyptischer Namensvetter wird Seth, der dritte Sohn Adams und »Ersatz« für den gemordeten Habel (vgl. Genesis 4,25), nur zweimal erwähnt, und das auch nur im Rahmen genealogischer Aufzählungen: beim ›schönen Gespräch‹ von Jaakob und Joseph am Beginn des Romans (IV, 115) und bei Jaakobs Unterricht für Thamar (V, 1552).
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Shelah 'Er, Onan und Shelah
Shiloh Schilo
Sichem
Der Sohn Hemors, des Stadtfürsten von Schekem, »ein verhätscheltes Herrensöhnchen mit einigem Harem, ein Teppichlieger und Süßigkeitenschlecker, eine elegante Drohne« (IV, 155), verliebt sich bei einem Weinfest in Jaakobs Tochter Dina und bittet seinen Vater, für ihn bei Jaakob um Dinas Hand anzuhalten (IV, 169).
Jaakob überlässt die Angelegenheit weitgehend seinen ältesten Söhnen, die hier eine Chance wittern, ihre schon gleich bei der Niederlassung vor den Toren der Stadt vier Jahre zuvor gehegten Raubpläne zu verwirklichen. Sie fordern von Sichem, dass er sich beschneiden lasse (IV, 171). Den »zappligen Jüngling« (IV, 161) beeindruckt die Forderung wenig, aber nachdem er sie erfüllt hat und die Brüder ihm Dina dennoch verweigern, reißt ihm der Geduldsfaden: Er entführt Dina in seinen Harem (IV, 173), schreibt aber nach einigen Tagen einen Brief, der »seiner Form nach sehr artig und nach seiner Gesinnung ebenfalls höchst verbindlich und entgegenkommend war« und in dem er nochmals um Dinas Hand anhält (IV, 176 f.). Nun fordern die Brüder, dass »alles, was Mannesnamen sei zu Schekem«, sich ebenfalls beschneiden lassen solle (IV, 178), und als auch diese Bedingung »ohne Besinnung angenommen« wird (IV, 179), fallen die Brüder drei Tage später über die Stadt und ihre von der Beschneidung geschwächten Männer her und metzeln sie nieder.
»So steckte am Ende des Strafgerichts, das kaum zwei Stunden dauerte, Sichem, der Burgsohn, schändlich zugerichtet, kopfüber in dem Latrinenrohr seines Badeszimmers« (IV, 181).
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Sichem (Stadt) Schekem
Sidon
Die phönizische Hafenstadt am »Großen Grünen«, dem Mittelmeer, ist Sebuluns Sehnsuchtsziel: »Am Großen Grünen sollte man wohnen und an Sidon grenzen und die Welle befahren, statt der Lämmer zu warten, – das lacht mir weniger« (IV, 450). Jaakobs Segen weissagt ihm, sein Gebiet werde an Sidon grenzen, was jedoch nicht eintrifft, denn Sebuluns Stammesgebiet »reichte dereinst durchaus nicht ans Grüne, noch grenzte es je an Sidon« (V, 1797).
Die Prunkvasen in den Säulenhallen in Peteprês Haus stammen aus Damaskus und Sidon (IV, 833 f.).
Vgl. Übersichtskarte.
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Siebenbrunnen Beerscheba
Sila
Babylonisches Hohlmaß, das vor allem bei der Berechnung von Löhnen und Tauschpreisen eine Rolle spielt: Laban zahlt den Mietsklaven, die ihm bei der Anlage des Teiches und Gartens helfen, täglich acht Sila Getreide (IV, 261). Jaakob handelt für Laban Saatgerste mit 250 Sila pro Kur (ein weiteres Hohlmaß) ein und bezahlt den Gegenwert von 5 Schekeln mit 9 Sila Öl oder 5 Minen Wolle pro Schekel (IV, 274).
Nach Meissner (I, 357), dem TM hier wohl folgt, entspricht ein Sila ungefähr 0,4 Liter. Ein »kurru« (im Roman Kur) entsprach »im alten Babel 300 Sila (= 121 l), im neuen dagegen 180 (= 72,7 l).«
Letzte Änderung: 14.11.2009 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Silpa
Kurz vor Jaakobs Hochzeit rühmt Laban sich seiner Großzügigkeit: Er habe zwei Mägde gekauft, »Silpa und Bilha, ansehnliche Dirnen«, die er seinen Töchtern am Tage der Hochzeit schenken werde: Silpa für Lea und Bilha für Rahel (IV, 294). Dass der Geizkragen sie vertragsgemäß auf zwei Drittel der als weitere Mitgift vorgesehenen Mine Silbers anrechnet (IV, 266), obwohl er durch Jaakobs Wirken inzwischen reich geworden ist, entlockt dem künftigen Schwiegersohn nur ein trockenes »Sei geherzt deswegen« (ebd.).
Nach Judas Geburt wird Lea »zu ihrem Verdruß« für einige Jahre nicht mehr schwanger, deshalb schlägt sie Jaakob vor, dass er, wie mit Rahels Magd Bilha, auch mit ihrer Magd Silpa Kinder zeuge (IV, 326), ein Vorschlag, den sie »wahrscheinlich nur der Form wegen« macht und »um ihren eigentlichen Wunsch, Jaakob möchte sie öfter besuchen, darein zu kleiden« (IV, 327).
Doch Jaakob willigt ein, und die »hochbusige Silpa«, die es freilich schon wegen einer gewissen Ähnlichkeit mit ihrer Herrin »nie zu wirklicher Gunst bei Jaakob brachte« (IV, 327), bereichert Jaakobs Nachkommenschaft um zwei Söhne: den ›geraden Gad‹ und den ›genäschigen Ascher‹.
Band IV: 294, 296, 315, 326 f., 328, 346, 360, 371, 484, 647.
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Sin (Bel-Charran)
Sin ist der babylonische Mondgott, »nach welchem das ganze Land Sinear also benannt war« (IV, 11). Er hat seinen Haupt- und Stammsitz in der großen Mondburg von Ur im Süden des Zweistromlandes. Eine zweite Stätte des Sin-Kults ist der Tempel E-chulchul in Charran, der »Mondstadt des Nordens« (IV, 12), weshalb Sin auch Bel-Charran genannt wird (IV, 224, 251). Sin ist Vater (besser: einer der Väter) der Ischtar (IV, 628, 886).
Nach der Überlieferung der Jaakobsleute hegte Abraham eine ausgeprägte Liebe zu »der Gottheit von Uru und Charran« und fühlte sich deshalb gekränkt durch die »übertriebene[n] Staatsehren«, die Chammuragasch (Hammurabi) dem »Sonnenprinzip« Schamasch-Bel-Mardug erwiesen hatte »zum Schaden Sins, des Sternenhirten« (IV, 426; vgl. auch IV, 102).
Andererseits lassen »Josephs Überlieferungen« auch die Vermutung zu, dass es gerade umgekehrt die anmaßende (und ebenfalls von Hammurapi in Auftrag gegebene) Erhöhung der großen Mondburg von Ur gewesen sein könnte, »die den Unzufriedenen namentlich geärgert« hatte (IV, 11).
Der junge Joseph, der sich dem Mond, dem »Herrn des Weges«, besonders verbunden fühlt, hat einige Mühe, den (berechtigten) Verdacht des Vaters zu zerstreuen, dass er das Gestirn angebetet und ihm Kusshände zugeworfen habe (IV, 99-101). – Die »starken Stellungen von Sin und Ischtar« (IV, 110) in seinem Geburtshoroskop sind ein Zeichen des mütterlichen Teils des doppelten Segens, der auf Joseph ruht, während die »Geburtssonne im Zenit« auf den väterlichen Segen verweist (IV, 109). Zwischen beiden vermittelt Nabu, der Gott der Schreibkunst, als »Geschäftsträger und Unterhändler« (IV, 110).
Als Rahel im fünften Monat schwanger ist, besteht Laban darauf, dass sie zu dem »Sehepriester« Rimanni-Bel im Sin-Tempel E-chulchul gebracht werde, »damit er ihr und dem Kinde durch Wahrsagung die Zukunft deute« (IV, 337). Bei Josephs Geburt rufen Laban und Adina den Mondgott als Geburtshelfer an, indem sie ihn mit allerlei Beschwörungsformeln »daran (erinnerten), wie er einst eine Kuh bei der Geburt unterstützt habe« (IV, 347).
Über Sin (Nanna) orientierte TM sich vornehmlich bei Meissner (II, 18 f.) und Jeremias II (355-362). – Die Darstellung von Josephs Anbetung des Mondes (IV, 66 f.) mag durch Jeremias' Annahme angeregt sein, dass »man die Mondorakel im ekstatischen Zustande einholte« (Jeremias II, 357). – Labans und Adinas Geburtsbeschwörung und der zugehörige Mythos von der Kuh, der Sin in Geburtsnöten beistand, ist nach Ebeling/Meissner (Bd. 8, 367) altbabylonische Überlieferung. – Abb.: Babylonisches Rollsiegel um 2100 v. Chr.
Letzte Änderung: 05.08.2013 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Sinear
Das Land ›Sinear‹ ist das Land, in dem der Mondgott Sin verehrt wird (IV, 11). Der Begriff wird für das Zweistromland allgemein verwendet (vgl. z.B. IV, 35 f.) und bezeichnet weniger politische Zugehörigkeit zum babylonischen Reich als Zugehörigkeit zum babylonischen Kulturraum.
Die »Leute von Sinear« sind die von babylonischer Kultur geprägten Bewohner Babyloniens und Mesopotamiens von Chaldäa im Süden bis Naharina im Norden. Die wiederkehrende Wendung wird synonym mit dem (pluralisch gebrauchten) Begriff Chaldäer benutzt. Ein Muster für die wechselnde Verwendung beider Begriffe ist nicht eindeutig zu erkennen. Möglich, dass der Name ›Sinear‹ bevorzugt dann fällt, wenn es um die religiösen Kulte der Babylonier geht und darum, die Distanz des Monotheismus der Jaakobsleute zum »Götzenglauben« Babylons (IV, 251) zu markieren.
Hauptgott Sinears ist aber schon seit Abrahams Tagen nicht mehr der Mondgott Sin, sondern der Sonnengott Mardug. Dem nämlich hatte »Abrams König« Amraphel oder Chammuragasch (d.i. Hammurabi) »mächtig das Haupt erhoben und ihn erhöht [...] über alle Götter von Sinear zum Verdruß der Leute des Sin« (IV, 102), was als möglicher Grund für Abrahams »Auszug aus Sinear« (IV, 18) erwogen wird (IV, 11, 102, 426).
Die »bartlockigen Männer von Sinear« halten ihre Königsstadt Babel, die sie »Pforte Gottes« und »Band Himmels und der Erde« nennen, für »der Welt heilige[n] Mittelpunkt«, aber »Joseph hatte über diese Frage des Weltnabels nähere und wahrere Nachrichten« (IV, 35), nämlich die über Jaakobs Traum von der Himmelsleiter.
Sinear ist das Land der »Sternendiener und -deuter« (IV, 17), der »Gestirnspriester«, die sich »auf die Zeichen des Tierkreises« verstehen (IV, 26). An seinen Grenzen standen schon zu Abrahams Zeit »mit Tierkreisbildern bedeckte Grenzsteine« (IV, 15). In Jaakobs Augen ist die Sterndeuterkunst der Babylonier nicht weit entfernt vom Aulasaukaula der ›Baalsnarren‹ und »Orakellaller« Kanaans (IV, 416), weshalb er sehr im Zweifel ist, ob Eliezer, der älteste Knecht und Lehrer seines Dumuzi, gut daran getan hat, Joseph »die Künste anzuzeigen der Sterndeuter und Zauberer von Sinear« (IV, 110).
Band IV: 11, 15, 17 f., 26, 33, 35 f., 75, 102, 110, 116, 120, 132, 253, 399, 412, 419, 435, 474, 605. – Band V: 994, 1421, 1431, 1554.
Die alttestamentliche Bezeichnung ›Sinear‹ (Schinar, Schinear) wird unterschiedlich gedeutet: Als Name (a) des babylonischen Reiches (mit seiner wechselnden Ausdehnung), (b) der Stadt Babel/Babylon, (c) des mittleren Mesopotamien um und nordwestlich von Babylon, (d) des südlichen Babylonien (Chaldäa) oder auch (e) des gesamten Gebiets von Mesopotamien. Nach Jeremias I ist Sinear »nicht Gesamtbabylonien, sondern [...] nur ein Teil Babyloniens« (160), den er kartografisch wie (c) verortet (vgl. »Weltkarte« am Schluss des Buches). In der 4. Auflage 1930 (S. 172), die TM aber wohl nicht benutzt hat, konzediert er, dass ›Sinear‹ im Alten Testament auch verallgemeinernd für Babylonien insgesamt verwendet wird. – Nach Meissner (I, 8) ist Sinear der biblische Name Sumers, des südlichen Babylonien.
Letzte Änderung: 03.10.2008 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Sippar
Stadt in Babylonien, nördlich von Babylon. Laban nennt den babylonischen Herrscher den König »der vier Weltgegenden zu Babel-Sippar« (IV, 343). Der Sehepriester des Mondtempels von Charran, Rimanni-Bel, stammt nach eigener Aussage in gerader Linie von Enmeduranki, dem vorsintflutlichen »König zu Sippar« ab (IV, 339).
In Theben übernachten die Midianiter mit ihrem Jungsklaven Joseph in einem der ärmeren Viertel der Stadt in einer Herberge namens »Sipparer Hof«, die so heißt, »weil ihr Herr und Wirtsmann ein Chaldäer aus Sippar am Euphrat war und vorzugsweise chaldäische Leute, wenn auch sonst noch allerlei Volk, bei ihm herbergten«. Am Morgen bekommen sie Pappasu, ein »chaldäisch Morgenmus« gereicht (IV, 778). Dieselbe Speise bekommt Jaakob bei seinem ersten Abendessen in Labans Haus (IV, 238).
Vgl. Übersichtskarte. – Nach Jeremias II (325 f., 367 f.) war Sippar einer der Hauptorte des babylonischen Sonnenkults. Von dem »mythischen König Enmeduranki von Sippar« ist ebenfalls bei Jeremias II (393 f.) die Rede.
Letzte Änderung: 10.05.2009 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Siwan
Die Jaakobsleute halten zweimal im Jahr Schafschur, im Frühjahr im Monat Siwan und im schon herbstlichen Monat Tischri, denn Jaakobs »gesprenkelten Frühlingen wuchs das Vlies so rasch, wie einer die Hand umdreht« (IV, 166).
Der Siwan ist der dritte Monat des religiösen Jahres und der neunte Monat des Kalenderjahres, er entspricht dem Mai/Juni. – Vgl. dazu Susanne Galley: Das jüdische Jahr: Feste, Gedenk- und Feiertage, München 2003 (Becksche Reihe 1523), S. 23.
Letzte Änderung: 30.08.2009 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Sizilien Kittim
Skorpionmenschenpaar
Unter den Bildstickereien, mit denen Rahels Brautschleier, die Ketônet passîm, geschmückt ist, findet sich auch »das Skorpionmenschenpaar, das am Ende der Welt das Tor bewacht, durch welches die Sonne zur Unterwelt eingeht« (IV, 297; vgl. auch IV, 482).
Vgl. Bildvorlagen zur Ketônet passîm. – Skorpionmenschen gehörten zu den zahlreichen Bildvorstellungen von Mischwesen in der babylonischen Mythologie. Im Gilgamesch-Epos bewachen sie das Sonnentor am Berg Mâschu am Ende der Welt (vgl. Tafel IX).
Letzte Änderung: 12.04.2015 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Sobk (Sebek)
Der »krokodilgestaltige Wassergott Sobk von Ombo« (IV, 734) wird an zwei Stellen erwähnt, zunächst im Zusammenhang mit der Frage, wer wohl die Wasseruhr erfunden hat, mit der die Nachtstunden gemessen werden. Während über die Erfinder der Sonnenuhr, die die Tagesstunden misst, für die Sonnenpriester zu On (und den Erzähler) kein Zweifel besteht, dass es ihre eigenen »Vorgänger« gewesen sind, lässt sich dasselbe hinsichtlich der Wasseruhr weniger sicher sagen, werde aber, so der Erzähler, »wahrscheinlich gemacht« dadurch, dass in der von den Sonnenpriestern von On entwickelten Theologie der »Zusammenschau« der Wassergott Sobk genau genommen »nur Rê mit anderem Namen war und des zum Zeichen die schlangenbewaffnete Scheibe führte« (ebd.).
Josephs Dienstherr Peteprê lässt seinen Verwalter Mont-kaw wissen, dass er vorhat, nachmittags »noch dem Sebek zu huldigen und auf Wasserjagd zu gehen« (IV, 808).
Der als Krokodil oder Mensch mit Krokodilskopf dargestellte Sobk (Sebek, Sobek, Suchos) wurde, wie TM bei Erman gelesen haben dürfte, an mehreren Orten verehrt, darunter in Sais (im Nildelta), im »Seelande des Fajum« (südwestlich von Kairo) und »ganz im Süden in Ombos« (Kom Ombo, nördlich von Assuan). Er war ein »Gott des Wassers«, das »heilige Wesen, das man überall auf dem Nile verehren soll« (Erman, 44 f.).
Über die mit der besonderen Verehrung des Sonnengottes Rê seit der 5. Dynastie zunehmende Neigung zur Gleichsetzung vieler Götter mit Rê fand TM Informationen bei Erman (49 f.), Erman/Ranke (295 f.), Steindorff I (150 f.) u.a. Erman erwägt als denkbare Ursache für diese Entwicklung den Umstand, dass die Pharaonen der 5. Dynastie »von einem Sonnenpriester herstammten« (Erman, 50). Steindorff weist eigens darauf hin, dass den Bildern der mit Rê gleichgesetzten Götter meistens auch »das Abzeichen des Rê, die Sonnenscheibe, um die sich die giftige Uräusschlange windet«, hinzugefügt wurde (Steindorff I, 151). Eine Abbildung (Zeichnung) des Sobk mit Sonnenscheibe und Uräusschlangen findet sich bei Erman (45, Abb. 34).
Über die Funktionsweise der Wasseruhren zur Messung der Nachtstunden berichten Erman/Ranke (400). Zur Theologie der »Zusammenschau« in Heliopolis vgl. On.
Letzte Änderung: 08.07.2018 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Sodom und Gomorra (Sodom und Amorra)
Die beiden »wollüstigen Städte« Sodom und Gomorra, die Gott mit einer »Feuerflut« strafte (IV, 16; vgl. Genesis 19), werden im Zusammenhang mit Lots Geschichte erwähnt. Sie befanden sich, wie der Erzähler wissen will, dort, wo jetzt der »bleierne Laugensee«, das Tote Meer, liegt, der durch ihre Zerstörung entstanden sei (ebd.).
In Jaakobs Augen sind die Ägypter ebenso »reich und unflätig« wie einstmals »Sodoms und Amorras Leute« (IV, 97).
Amorra (IV, 97, 429) ist die hebräische Namensform ('amôrâh) von (griech.) Gomorra. Den Entstehungsmythos des Toten Meeres fand TM bei Gorion: »Und Gott ließ Schwefel und Feuer über Sodom vom Himmel regnen, und nach drei Tagen ward die ganze Gegend zu dem Wasser, das man heute das Salzmeer nennt.« (Gorion II, 226)
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Sopdu (Sopd)
Der Gott des 20. unterägyptischen Gaus Arabia mit dem Beinamen »Der die Sinaibewohner schlägt« hat sein Heiligtum in der Hauptstadt des Gaus Per-Sopd, der ersten ägyptischen Stadt, die Joseph kennenlernt (IV, 723).
Sopdu ist »so uralt, daß seine eigenen Pfleger und Propheten, die ein Luchsfell auf dem Rücken trugen und mit niedergeschlagenen Augen gingen, nicht mehr mit Bestimmtheit zu sagen wußten, ob sein Kopf eigentlich der eines Schweines oder eines Nilpferdes sei.« Uralt ist auch sein klotziger Tempel, der mit gleichermaßen »klotzigen Sitzbildern des Pharao der Urzeit geschmückt waren, der das Haus erbaut hatte« (ebd.).
Sopdu ist »ein beiseitegedrängter, undeutlich gewordener und, nach Seelenstimmung und Redeweise seiner Priester zu urteilen, ziemlich verbitterter Gott und hatte auch schon lange die Sinaibewohner nicht mehr geschlagen«. Er wird »wenig dotiert« (ebd.), und seine vergrämten Priester sind eifersüchtig auf den thebanischen Amun, der sich eigenmächtig zum Reichsgott aufgeschwungen und »die ehrwürdig-ältesten Götter des Landes«, die sämtlich in Unterägypten beheimatet seien, verdrängt habe (IV, 724).
Sopdus Lieblingsgewürz sind Gewürznelken, weshalb es in der ganzen Stadt aufdringlich danach riecht. Die Ismaeliter bringen dem Gott »aus händlerischer Verbindlichkeit« ein paar Blumensträuße und eine »mit Nelkenköpfen gespickte Ente« dar (IV, 723).
Vgl. Erman (30). – Der arabische Name von Per-Sopd ist Saft el-Henneh (Saft el-Henna, Saft el-Hinna).
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Sphinx (Harmachis, Hor-em-achet, Hor im Lichtberge)
Das »Geheimnis im Kopftuch, Hor-em-achet, die große Sphinx«, die sich bei den Pyramiden von Gizeh aus dem Wüstensand erhebt, ist so alt, dass niemand mehr weiß, »wann und wie« sie entstanden ist (V, 741), und niemand, nicht einmal König Chufu, sie jemals ohne die vom »Zeitenfraße« abgestumpfte Nase gesehen hat (IV, 21). Die Ägypter nennen sie »Hor im Lichtberge« und halten sie für ein Bild des Sonnengottes Atum-Rê-Horachte, was aber wohl eine »neuzeitliche Auslegung« ist (V, 745).
Joseph sieht den gewaltigen »Koloß-Zwitter aus Löwe und Jungfrau« (IV, 21), dessen Geschlecht ›verdeckt und versteckt‹ ist, »da es lagerte« (IV, 745), auf seiner Reise mit den Midianitern, die in der Nähe ihr Nachtlager aufschlagen. Der alte Midianiter erzählt von Tutmose IV., der die Sphinx, einem »Verheißungstraum« folgend (V, 743), vom Sand befreit und zwischen ihren Pranken einen Denkstein errichtet hatte, dessen Text der Alte seinen Leuten vorliest (vgl. 742 f.).
Joseph findet die Geschichte in jeder Hinsicht »läppisch« (V, 743), ist aber von dem Gebilde selbst doch so stark beeindruckt, dass er nicht einschlafen kann und in sternklarer Nacht vor das »Riesen-Idol« hintritt, um es noch einmal zu betrachten »und seine Ungeheuerlichkeit zu befragen«, während von fernher Schakale heulen (V, 744; vgl. dazu Anup). Das »Rätsel« der Sphinx bleibt ihm verschlossen wie die Drohung, die es enthält; es ist ein »wildes« Geheimnis, »mit Löwenpranken, lüstern nach jungem Blut, gefährlich dem Gotteskinde und eine Nachstellung dem Sprößlinge der Verheißung«, der sein Herz »wappnet« und seines Vaters gedenkt (V, 745). In der Nacht träumt er von der Sphinx, die zu ihm sagt: »›Ich liebe dich. Tu dich zu mir und nenne mir deinen Namen, von welcher Beschaffenheit ich nun auch sei!‹ Aber er antwortete: ›Wie sollte ich ein solches übel tun und wider Gott sündigen?‹« (V, 746)
Der Erzähler inszeniert Josephs Begegnung mit der Großen Sphinx als Vorausweisung auf seine Geschichte mit Mut-em-enet, die später nicht zufällig als »Sphinx des Totenlandes« apostrophiert wird (V, 1144). – Die Rede vom Rätsel der Sphinx und ihrer Gefährlichkeit spielt auf die Sphinx der griechischen Mythologie an, deren Rätsel von Ödipus gelöst wird.
Abbildungen der Großen Sphinx finden sich bei WikimediaCommons, Bilder von der Traumstele Thutmosis IV. in dem entsprechenden Wikipedia-Artikel .
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Südliches Frauenhaus (Opet resit)
Das ›Südliche Frauenhaus‹ oder »Opet resit« (V, 1242) ist neben Epet-Esowet, der imposanten Tempelanlage des Amun in Karnak, der zweite, Amun geweihte große Tempelbezirk in Theben. Wie zuvor den Tempel von Karnak erblickt Joseph auch ihn gleich bei seiner Ankunft schon vom Schiff aus: Er sieht »gestreckte Tempelanlagen unmittelbar am Fluß«, an denen rege Bautätigkeit herrscht: Amenhotep III., Echnatôns Vater, lässt »vor den Saal und den Hof noch eine Halle« bauen, »höher an Säulen als alles« (IV, 766, vgl. auch 770). Vom Südlichen Frauenhaus zur ›großen Wohnung‹ des Amun in Karnak im Nordosten führt eine fünftausend Ellen (d. h. etwa 2,5 Kilometer) lange, »mit lauter Amuns-Widdern« besetzte Prachtallee (IV, 766).
Der Tempel ist die »Stätte des Geheimnisses der königlichen Empfängnis« (IV, 766) und »Mittelpunkt und geistiges Heim« des Hathoren-Ordens, dem viele Damen der ersten Gesellschaft angehören, darunter auch Potiphars Gemahlin Mut-em-enet (V, 945). Schutzherrin des Ordens ist Teje, und Nes-ba-met, die Gattin des ›Ersten Propheten‹ Amuns, Beknechons, ist seine »Oberin« (V, 945). »Amuns irdische Haremsfrauen« haben die Aufgabe, bei den großen Kultfesten des Amun zu musizieren, zu tanzen und zu singen, »wie Damen der Gesellschaft eben zu singen vermögen« (V, 945 f.).
Jährlicher Höhepunkt ist das Opetfest, bei dem Amun seine ›große Wohnung‹ in Karnak verlässt und dem Südlichen Frauenhaus einen Besuch abstattet (V, 1241-1246), »empfangen und eingeholt unter Knicksen, Leibeswindungen und Zweiggewedel von Amuns irdischen Nebenfrauen, den Damen vom Hohen Hathorenorden in Dünngewändern« (V, 1246).
Das ›Südliche Frauenhaus‹ ist der von Echnatôns Vater, Amenhotep III., ausgebaute Tempel von Luxor. – Mit der »Stätte des Geheimnisses der königlichen Empfängnis« (IV, 766) dürfte der heute ›Geburtshaus‹ oder ›Geburtssaal‹ genannte Raum in der Nähe des Sanktuars gemeint sein, an dessen Wänden Reliefs die göttliche Zeugung Amenhoteps III. durch Amun-Rê mit Amenhoteps Mutter Mutemweje sowie seine Geburt, Aufzucht und Thronbesteigung darstellen (vgl. Erman/Ranke, 60-62). Denn »Pharao ist Amuns Sohn nach der Väter Lehre und des Volkes urfrommem Glauben« (V, 1043). Dieser Lehre entsprechend wird auch Echnatôns Mutter Teje als Amuns »Beischläferin« tituliert (V, 1015). – Abbildungen der Tempelanlagen finden sich bei Wikimedia Commons.
Letzte Änderung: 07.04.2009 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Sur Tyrus
Sutech
Der um Jaakobs Tochter Dina freiende Sichem beruft sich auf Sutech, um seine Bereitschaft, sich beschneiden zu lassen, nachdrücklich zu bekräftigen: »Beim Sutech, nein, das biete wirklich gar keine Schwierigkeit!« (IV, 172) Als dann wenig später die älteren Jaakobssöhne über ihn und die Einwohner von Schekem herfallen, hört man entsetzte Rufe: »Wehe! Nicht Menschen sind das! In unserer Mitte ist Sutech! Der ruhmreiche Baal ist in allen ihren Gliedern!« (IV, 181)
Sutech ist eigentlich nur eine Namensform des ägyptischen Set; TM greift hier Informationen seiner Gewährsleute Erman und Breasted auf, denen zufolge die unter dem Namen Sutech verehrte Gottheit eine Verschmelzung des ägyptischen Set mit einem kanaanäischen Baal war, der insbesondere von den im östlichen Nildelta residierenden Hyksos verehrt wurde, jenen Fremdherrschern, die, vermutlich aus dem palästinensischen Raum stammend, weite Teile Ägyptens während der sog. Zweiten Zwischenzeit (ca. 1648-1550 v. Chr.) beherrschten (vgl. Erman 104, 149; Breasted 152). Dass man in dem unter ägyptischer Besatzung stehenden Schekem den Namen Sutech kennt, ist vor diesem Hintergrund ebenso plausibel wie der Umstand, dass man ihn mit einem ›ruhmreichen Baal‹ gleichsetzt. – Das Wehgeschrei der Einwohner selbst ist, worauf die Kommentatoren der GKFA hinweisen, Zitat aus dem ägyptischen »Gedicht von der Kadesch-Schlacht«, der Schlacht Ramses' II. gegen die Hethiter bei Kadesch im Jahr 1274 v. Chr. (vgl. Kommentar I, 630).
Letzte Änderung: 09.07.2018 | Seitenanfang / Lexikon | Zurück
Sykomore (Maulbeerfeigenbaum)
In Ägypten sind Sykomoren allgegenwärtig. Schon bei seinem »Eintritt in Scheol« sieht Joseph sie im »Marschenland« von Gosen vereinzelt stehen (IV, 720); ein »Hain alter Sykomoren« umgibt den Bastet-Tempel in Per-Bastet (IV, 727); beim Apis-Fest in Memphis ›küssen‹ (»wie sie für ›essen‹ sagten«) die Zuschauer »schwatzend und lachend Sykomorenfeigen und Zwiebeln« (IV, 753), und in Peteprês Garten, in dem Joseph den Eltern seines Herrn als ›Stummer Diener‹ aufwartet, stehen neben Dornakazien, Dattel- und Dumpalmen, Feigen-, Granat- und Perseabäumen auch die »schönsten Sykomoren« (IV, 852).
Die Sykomorenfeigen, die Peteprês Garten liefert, werden in großen Mengen in die Stadt, vor allem in die Totenstadt im Westen verkauft, »wo man die Früchte für die Opfertische der Totentempel und als Grabbeigabe und Zehrung für die Verstorbenen massenweise benötigte« (V, 933).
Die starke Nachfrage bringt Joseph auf die Idee, »von den Töpfern des Hauses in Ton gearbeitete Modelle und Nachahmungen der Frucht herstellen zu lassen, die in natürlichen Farben bemalt wurden und in den Gräbern ihren Zweck ebensogut erfüllten wie die natürlichen Früchte. Ja, da dieser Zweck magisch war, erfüllten sie ihn als magische Andeutungen sogar noch besser« (V, 933). Josephs »Zauberfeigen« finden schon bald reißenden Absatz und tragen in »unverächtlichem Maße« zur Bereicherung des Hausherrn bei (ebd.). Der sterbende Mont-kaw bittet Joseph, ihm davon »reichlich« ins Grab zu legen (V, 999).
Zu den zahlreichen Steuern, die die Ägypter entrichten müssen, zählen auch die Steuern »für die Sykomoren, die auf ihrem befruchteten Grunde wuchsen« (V, 1503).
In Kanaan scheint die Sykomore keine vergleichbare Rolle zu spielen. Erwähnt wird nur eine Truhe aus Sykomorenholz, die in Jaakobs ›härenem Haus‹ steht und »deren Wände mit blauglasierten Toneinlagen geschmückt« sind (IV, 472). Auf seiner Reise zu Laban sieht Jaakob Sykomorenwälder in Syrien (IV, 220).
TM folgt Erman/Ranke, soweit es den vereinzelten Stand wild wachsender Sykomoren (18), die Sykomore als bevorzugten Gartenbaum (209) und ihre Besteuerung (172) betrifft. – Dass er Joseph zum Erfinder der tönernen Sykomorenfeigen macht, ist ein Privatwitz. Dabei stützt er sich auf Wiedemann (276), dem zufolge Sykomorenfeigen in »hohen Haufen« bei den Opfergaben aufgeschichtet und »ihre in Ton gearbeiteten Modelle im Grabe niedergelegt« wurden.
Abb.: Ernte von Sykomorenfeigen. Aus dem Grab des Chnumhotep in Beni Hasan (Altes Reich). Zeichnung aus Lepsius II (Ausschnitt). Bildquelle: Digitalisat des Lepsius-Projekts der Universitätsbibliothek Halle (Lepsius II, 127). – Diese Abbildung kannte TM aus Erman/Ranke (229, Abb. 75). – Fotografien der Früchte des Ficus sycomorus L. finden sich in dem elektronischen Führer West African plants des Forschungsinstituts Senckenberg Frankfurt/Main. Einige Fotografien des Baumes bei WikimediaCommons.